: 45 Grad im Schatten: Frankfurter "Archiv Bibliographia Judaica"
In Frankfurt am Main, das einmal eine der größten und lebendigsten jüdischen Gemeinden Deutschlands beherbergte, existiert eine fast unbekannte Institution, die mit bescheidensten Mitteln daran arbeitet, nach dem Holocaust den beträchtlichen Anteil der Juden an der deutschen Kulturgeschichte wenigstens bibliographisch zu erfassen:das Frankfurter „Archiv Bibliographia Judaica“ .In dem 1966 auf Anregung des Schriftstellers und Rabbiners Elazar Benyoetz gegründeten Archiv, dem einzigen seiner Art, werden systematisch Daten und Fakten über Juden im deutschen Kulturleben vom ersten publizistischen Auftreten von Moses Mendelssohn, dem Freunde Lessings, bis zum Ende der Nazi-Ära gesammelt. Es wurden bisher 150 000 Namen registriert, und für jeden dieser Autoren wird die urkundliche Sicherung der jüdischen Herkunft betrieben, ein Lebenslauf zusammengestellt und eine Bibliographie der Werke erarbeitet. Das gesammelte Material gibt die Grundlage für eine Personalbibliographie ab, von der im Campus Verlag (Frankfurt/M.) 1981 und 1984 bereits zwei Bände erschienen sind, die bis zum Buchstaben R reichen. Ein abschließender dritter und ein Nachtragsband sind in Vorbereitung. Liegt alles einmal vor, wird man einen detaillierten Überblick über knapp 200 Jahre eines fruchtbaren deutsch-jüdischen Zusammenlebens haben, das durch die Nationalsozialisten jäh und für immer beendet wurde. In dem Archiv wird zudem ein Lexikon erarbeitet, das ausführliche Artikel über alle diejenigen jüdischen Autoren enthalten soll, die von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Kulturgeschichte sind. Die einzigartige Einrichtung, in der alle Daten über jene deutschen Juden zusammenlaufen, die als Schriftsteller, Wissenschaftler, Kritiker, Journalisten und Künstler Bedeutung für die deutsche Kultur hatten, ist, nach Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Aufbauphase, heute hauptsächlich auf Beiträge und Spenden der Mitglieder eines gemeinnützigen Vereins sowie auf ehrenamtliche Hilfskräfte angewiesen, eine skandalöse Situation, wenn man sich die Bedeutung der in dem Archiv geleisteten Forschungsarbeit vergegenwärtigt.
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