400 kostenlose Hotspots: Graz führt öffentliches WLAN ein
Die zweitgrößte Stadt Österreichs beginnt, das Stadtgebiet kostenlos mit WLAN zu überziehen. Während in Berlin ein vergleichbares Projekt stockt, zeigt Graz, wie es unbürokratisch geht.
Die Mensa an der Uni Graz hat schon einen, der Grazer Flughafen auch: einen Hotspot, also einen drahtlosen Internetzugang. In der Hauptstadt der Steiermark gibt es bisher mehrere Dutzend Hotspots im öffentlichen Raum, die meisten in Cafes, Hotels oder an der Universität. Einige davon sind kostenpflichtig. Soweit nichts Besonderes.
Doch bis Herbst soll die europäische Kulturhauptstadt 2003, die in Österreich in vielerlei Hinsicht eine Avantgarderolle beansprucht, von Hotspots überzogen sein. Nicht nur in Lokalen, sondern auf der Strasse sollen mindestens 150 Anschlüsse eingerichtet werden: an Straßenbahnhaltestellen, Straßenlaternen und Verkehrsschildern, im Stadtpark und in den Freibädern.
Graz ist damit erster in Österreich und einer der europäischen Vorreiter neben Städten wie Luzern in der Schweiz oder Oulu in Finnland.
Noch in diesem Monat werden die ersten WLAN-Hotspots montiert. Bis Jahresende sollen es 150 sein, wenn es nach Gemeinderat Dominic Neumann von der konservativen ÖVP geht. Begonnen wird in der Innenstadt. Neumann denkt in mittlerer Zukunft aber an eine Ausweitung bis an den Stadtrand.
Für den Endausbau im Jahre 2012 sind in Graz, der mit 250.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Österreichs, immerhin 400 Hotspots vorgesehen. Die Anschlüsse sind in unauffälligen wasserfesten Boxen verborgen, die mit Hinweistafeln gekennzeichnet werden. Es sollen auch eigene Stadtpläne mit den Internetpunkten gedruckt werden.
Anders als in Berlin, wo sich der Senat jahrelang mit den Bedingungen zur Nutzung von Lichtsignalanlagen und Lampenmasten herumgeschlagen hat, ist man in Graz unbürokratisch vorgegangen. Die Berliner streiten sich noch immer, ob das Vorhaben öffentlich ausgeschrieben werden muss oder nicht. In Graz hat man einfach angefangen.
Die Grazer Steuerzahler sollen durch das Projekt gar nicht belastet werden: es wird zur Gänze von privaten Investoren getragen. Umsetzen wird das Projekt die Firma Citycom, eine Tochter der Graz AG. Das sind die Stadtwerke für kommunale Dienste.
Graz AG-Vorstand Wolfgang Messner, kann sich vorstellen, die Hotspots in der weiteren Folge mit Produkten seines Konzerns zu koppeln, seien es Bustickets oder Eintrittskarten für die städtischen Bäder. Der Zugang ist damit kostenfrei, allerdings auf eine Stunde beschränkt. Das mobile Büro im Stadtpark bleibt also vorerst Zukunftsmusik.
Oder vielleicht doch nicht so ferne Zukunftsmusik? Denn unabhängig vom Rathausprojekt wird in Graz seit 2004 an einem weiteren Gratis-Funknetz gebastelt, das allen offen steht und von allen genutzt werden kann.
"Funkfeuer" heißt das Projekt und soll wie der deutsche Freifunk funktionieren und von Freiwilligen, die zu Hause einen Router anbringen wollen und können, getragen werden. In Graz wächst dieses Netz weit schneller als zum Beispiel in der Bundeshauptstadt Wien, wo es auch eine solche Initiative gibt.
Nicht zuletzt, weil mit dem Elevate Festival und dem Kunstlabor zwei Initiativen eng zusammenarbeiten. Das Kunstlabor ist im Grazer Kunsthaus angesiedelt, dem futuristischen Museumsbau an der Mur. Kulturevents wie etwa das Elevate-Festival oder Veranstaltungen des Kunstlabors werden via Funkfeuer gratis verbreitet. Den beteiligten Netzwerk-Enthusiasten ist es auch erlaubt, eigene Server zu betreiben.
Wer zum Wachstum des Netzes durch Errichten eines Knotens beiträgt, bekommt freien Internet-Zugang und preisgünstige Telefonie. Und wem die Anschaffung von Antenne oder Router zu teuer ist, der kann sich in einem online-Workshop unterweisen lassen, wie man eine Katzenfutterdose in eine Richtfunk-Antenne umbaut.
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