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300 Geiseln als Schutzschilde

■ Tschetschenische Rebellen nehmen in Dagestan Dorfbewohner fest. Dudajew: Der Krieg beginnt erst

Moskau/Perwomaiskaja (AFP/dpa) – Das seit drei Tagen andauernde Geiseldrama in Dagestan hat sich weiter zugespitzt. Russische Panzer rückten gestern auf die tschetschenischen Rebellen vor, die 300 Geiseln in ihrer Gewalt hielten. Die etwa 250 bewaffneten Separatisten verlangten direkte Verhandlungen mit Regierungschef Viktor Tschernomyrdin und stellten Geiseln als lebende Schutzschilde vor Busse und Lastwagen. Die Rebellen, die am Vortag in Kisljar 3.000 andere Geiseln freigelassen hatten, drohten mit Erschießungen.

Russische Berichte, wonach die Geiselnehmer am Morgen sechs Soldaten erschossen hätten, wurden später dementiert. Der Kommandochef der Tschetschenen, Salman Radujew, hatte mit der Ermordung der Geiseln gedroht, falls sich russische Panzer auf weniger als hundert Meter dem Dorf Perwomaiskaja nähern würden. Dort hatten sich die Rebellen verschanzt. Über der Omnibuskolonne kreisten Hubschrauber. Dutzende von russischen Panzerfahrzeugen waren eingetroffen, Lastwagen hatten Geschütze im Schlepp. Der Sprecher des Nationalitätenministeriums, Wjatscheslaw, sagte, die Geiselnehmer würden „im Einklang mit den allgemein akzeptierten Methoden der Terrorismusbekämpfung bestraft werden.“

Nach russischen Angaben besteht das tschetschenische Kommando aus 150 Kämpfern. Sie haben fast 300 Menschen in ihrer Gewalt: 160 aus Kisljar mitgebrachte Geiseln, 37 am Mittwoch gefangengenommene Polizisten und etwa 100 Bewohner von Perwomaiskaja. Seit ihrer Ankunft in Perwomaiskaja ließen die Tschetschenen zehn Geiseln frei. Aus russischen Regierungskreisen hieß es, direkte Verhandlungen kämen nicht in Frage. Zuständig sei der russische Geheimdienst FSB, der frühere KGB. Der russische Präsident Boris Jelzin plädierte für eine „zivilisierte Lösung“ des Konflikts. Wenn ein Abkommen zustande komme, könnten sich die russischen Truppen aus Tschetschenien zurückziehen, sagte er. Bedingung sei aber, daß die Separatisten den bewaffneten Kampf aufgäben.

Der von Moskau nicht anerkannte tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew drohte mit weiterem Blutvergießen und forderte Verhandlungen: „An diesem Verhandlungstisch müssen Vertreter der UN und der USA anwesend sein.“ Und: „Tschetschenien wird nie und unter keinen Umständen zu Rußland gehören. Der Krieg beginnt erst.“

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