30 Jahre nach dem ersten Golden Slam: Als Steffi Graf Geschichte schrieb
Vor 30 Jahren gewann die Tennisspielerin olympisches Gold in Seoul. Und damit als erster und einziger Profi den Golden Slam.
Als Steffi Graf vor wenigen Monaten gefragt wurde, wie oft sie eigentlich noch Tennis spielt, musste sie lächeln. Die Frage kommt nämlich fast immer, wenn sie – selten genug – öffentlich auftritt. Viele glauben, Graf stehe noch regelmäßig auf dem Court, auch deshalb, weil sie noch so fit ausschaut wie zu ihren besten Zeiten. Aber Tennis spielt keine große Rolle mehr in ihrem Leben. „Ich glaube, ich habe genug Tennis gespielt in meinem Leben“, sagt Graf heute, „wenn ich mal spiele, dann meist für die Stiftung meines Mannes, für die Andre-Agassi-Stiftung.“
Vor 30 Jahren allerdings war alles noch ganz anders. Steffi Graf war 19 Jahre alt, sie spielte sehr viel Tennis, sie spielte sehr erfolgreich Tennis, sie stand für eine Zeitenwende im Frauentennis, sie war die neue Nummer eins. Und am 1. Oktober 1988 schaffte sie im südkoreanischen Seoul etwas, das vor und nach ihr noch niemand geschafft hat. Sie gewann den sogenannten Golden Slam: alle vier Major-Turniere der Saison plus die olympische Goldmedaille.
„Seoul, der Finalsieg gegen Gabriela Sabatini, das war ein außergewöhnlicher, ein bedeutender Moment für mich“, sagt Graf, „die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen ragte noch einmal heraus in diesem Jahr. Die Atmosphäre bei den Spielen war sehr speziell, das Gemeinschaftserlebnis mit den anderen Athletinnen und Athleten. Es sind großartige Erinnerungen.“
Graf hat heute ihre Erfüllung in einem zurückgezogenen Leben in Las Vegas gefunden, in der Heimatstadt ihres Mannes. Nichts drängt sie mehr in die Öffentlichkeit, nur sehr selten absolviert die 22-malige Grand-Slam-Siegerin einen PR-Termin für einen ihrer immer noch vielen Sponsoren. Graf ist glücklich damit, „nicht mehr jeden Tag den eigenen Namen in der Zeitung zu lesen“.
Wer sie besser kannte, wusste schon zu aktiven Zeiten, dass sie genau dieses Leben wollte nach dem Tennis. „Sie hat sich für einen ganz anderen Weg als ich entschieden“, hat Boris Becker gesagt, „ich könnte das nicht.“ Und wer könnte das auch schon bezweifeln.
Die anderen Sportler bilden Fantrauben
1988 allerdings, rund um Olympia, war der Rummel um den jungen Superstar Graf groß. Graf war eins der Gesichter dieser Spiele, sie war auch das Gesicht der zu Olympia zurückgekehrten Sportart Tennis. Graf kam als frischgebackene US-Open-Siegerin nach Seoul, sie hatte damit schon das seltene Kunststück fertiggebracht, alle vier Grand-Slam-Turniere in einem Kalenderjahr zu gewinnen. „Ich war ziemlich müde, ziemlich erschöpft. Ich machte mir eigentlich keine großen Hoffnungen für diesen olympischen Wettkampf“, sagt Graf im Rückblick, „ich wollte auf jeden Fall das Erlebnis der Spiele selbst genießen.“
Zunächst bezog Graf deshalb auch ein Zimmer im Athletendorf, gemeinsam mit ihren deutschen Kolleginnen wie Claudia Kohde-Kilsch oder Sylvia Hanika. Doch wo immer die 19-Jährige im Dorf spazierte, bildeten sich sofort Fantrauben von anderen Sportlern. „Jeder wollte sich mit ihr fotografieren lassen, jeder wollte ein Autogramm“, erinnert sich der langjährige Fed-Cup-Coach Klaus Hofsäss, „es war der reinste Wahnsinn.“ Da beorderte Vater Peter Graf seine Tochter in ein Hotelzimmer, um die „Mission Gold zu retten“, wie er später sagte.
Knapp wurde es für die Mission Gold nur im Viertelfinale, aber Graf riss sich zusammen, gewann die nächsten fünf Spiele hintereinander – und war nicht mehr gefährdet, bis sie im Endspiel ihren ersten Matchball gegen Gabriela Sabatini verwandelte. „Es war einer der schönsten Augenblicke meiner Karriere. Emotionaler war wohl nur noch der Sieg 1999 bei den French Open“, sagt Graf, „der letzte Grand-Slam-Erfolg meiner Karriere.“
Viele haben sich seit dem Oktober 1988 am Sieg von vier Grand-Slam-Turnieren in einer einzigen Saison versucht. Serena Williams war 2015 nahe dran, sie hatte schon in Melbourne, Paris und Wimbledon gewonnen, bevor sie in New York überraschend im Halbfinale scheiterte. Auch sie, die erfolgreichste Spielerin dieser Epoche, wird wohl den Grand Slam nicht schaffen. Schon gar nicht den gräflichen Golden Slam.
Der, am 1. Oktober 1988 vollendet, bleibt ein Moment für die Ewigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier