3-D-Druck-Technologie: Du willst es, du druckst es
In Berlin hat ein 3-D-Druck-Shop aufgemacht. Ein Ortstermin mit einem kaputten Plastikteil und der Frage: Werden wir nun alle Produzenten?
BERLIN taz | An den Wänden hängen Kunststoffschnüre. Der „Solidoodle“-Drucker summt, während eine Art Heißklebepistole flüssigen Kunststoff in Schichten aufeinanderbaut. Plastik-Eierhalter, Plätzchenausstechformen und Kleiderhaken in Fingerform drucken sie hier im 3-D-Druck-Store „Botspot“ im Aufbauhaus in Berlin. Inmitten des Großhandels für Künstlerbedarf soll der 3-D-Druck für alle möglich sein.
Geschäftsführer Manfred Ostermeier ist nicht der Erste, der den 3-D-Druck anbietet. Bereits 2009 eröffnete in Berlin //www.taz.de/Szene-der-3D-Drucker/!126151/:ein 3-D-Druck-Shop. Botspot geht weiter: Hier scannen sie Menschen und errechnen daraus ein Objekt, die eigene Miniatur zum Ausdrucken. Doch der 3-D-Druck soll vor allem alltagstauglich sein.
Chris Anderson, Chefredakteur des Technikmagazins Wired, schreibt, dass es eine neue industrielle Revolution geben wird: Der Konsument wird zum Produzenten, baut sich seine Ersatzteile selbst. Waffen zum Beispiel? Manfred Ostermeier, Inhaber des Ladens, winkt ab. „Das kennen die Leute aus den Medien. Aber Drucker, die Metall verarbeiten, kosten knapp eine Million Euro – dafür kriegt man ein ganzes Waffenarsenal. Und Plastikwaffen schießen in alle Richtungen, nur nicht in die, in die sie sollen.“
Ostermeier zeigt eine Plastikhand, eine Prothese. „Weil ein Vater sich die Handprothese für seinen Sohn nicht leisten konnte, hat er sie mit dem 3-D-Drucker gemacht.“ Sieben Euro koste das Material dafür. „Die Vorlage gibt es im Internet, wir haben das mal nachgedruckt.“
Der Konsument als Produzent, ist das realistisch? Ich zeige Ostermeier ein kaputtes Plastikteil meines Milchaufschäumers. Vom Aufsatz, der den Aufschäumring hält, ist eine Ecke abgebrochen. Ein kleines Teil aus Plastik, wie ein Legostein, mit ein paar Noppen mehr. Ostermeier dreht das Teil in seiner Hand. „Das ist sehr klein und diffizil. Wir können es ausprobieren, aber ich kann nicht garantieren, dass es funktioniert.“
Ostermeier sieht auf einer Internetplattform nach, Thingiverse. Hier gibt es Vorlagen zum Privatgebrauch, 3-D-Dateien von Vasen, Vogelhäuschen und Nespresso-Ersatzteilen. Meine Halterung ist nicht dabei.
Zwei Möglichkeiten gibt es, das Kleinteil nachzubauen. Hätte ich Fotos davon aus allen Perspektiven gemacht, ungefähr 60 Stück, hätte ein Programm die zu einem 3-D-Objekt zusammengefügt. Ungefähr 15 Euro hätte das gekostet – allerdings kann es sein, dass die automatisch errechnete Datei bearbeitet werden muss.
So aber muss ein 3-D-Artist das Objekt nachmodellieren. Morris Winkler misst mit einer Schieblehre millimetergenau die Abstände. Mit einer Animationssoftware erstellt er einen Würfel, dann markiert er jene Flächen, die ausgeschnitten werden müssen. 69 Euro kostet es pro Stunde, wenn Winkler modelliert.
Zwei Stunden später ruft mich Obermeier an, „wir können jetzt Milch aufschäumen“, sagt er. Der Drucker läuft warm, 230 Grad braucht er, um eine graue Plastikschnur einzuziehen. Das Modell auf der Speicherkarte teilt ihm quasi mit, auf welcher Position die Heißklebepistole wie viel Gramm herausdrücken soll. Nach 19 Minuten habe ich das Ersatzteil in der Hand. Und tatsächlich: Es hält den eingespannten Metallring, der Milchschäumer ist repariert. Wir sind Produzenten!
Der Materialpreis liege bei 4 Cent, so Ostermeier. Die Auftragsarbeit hätte aber insgesamt 38 Euro gekostet. Je komplizierter die Datei-Erstellung, desto teurer wird der Spaß. Und wenn sich die Konsumenten nicht mit 3-D-Modellage auskennen, dann können sie auch nur das produzieren, wovon sie eine Vorlage haben. Der Hersteller meines Aufschäumers hätte also eine Datei für das Ersatzteil freigeben und damit den Kopierschutz aufheben müssen.
Jedoch: Wer mein Milchaufschäumerteil jetzt privat haben möchte, zahlt nur noch drei Euro, die reinen Druckkosten. Die Datei wurde schließlich schon angefertigt.
Ich bilanziere: Mein Aufschäumer hat knapp 60 Euro gekostet, beim Hersteller hätte ich womöglich umsonst ein neues Gerät bekommen – wäre die Garantiezeit nicht abgelaufen.
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