piwik no script img

23. Solidaritäts-Basar: Exilierte gegen Vietnam-Hilfe

■ Am Freitag abend demonstrierten wieder Exil-Vietnamesen gegen den „Solidaritäts-Basar“ vor der Tür der St.-Stephani-Gemeinde Interviews mit Luis von Zobeltitz, dem Gemeindepfarrer in St.-Stephani, und Hoang Pham-Cong, einem der Demonstranten

taz: Macht das nicht einen schlechten Eindruck, wenn im Gemeindehaus Solidarität mit der 3. Welt praktiziert wird und vor der Tür stehen Exilierte aus der 3. Welt?

von Zobeltitz: Da haben Sie Recht...

Was haben Sie den Gästen, die zum Basar gekommen sind, dazu gesagt?

Der Solidaritätsbasar ist ein ganz breites Bündnis mit einer langen Tradition von 23 Jahren, wir geben als Gemeinde nur unsere Räume. Die Exil-Vietnamesen demonstrieren seit 1985 immer vor dem Solidaritätsbasar, wir haben ihnen immer wieder Gespräche angeboten und unsere Telefonnummer gegeben. In diesem Jahr haben wir von uns aus den Kontakt mit ihnen gesucht und zwei Abendgespräche gehabt... Keiner aus unserer Gemeinde leugnet die Menschenrechtsverletzungen in Vietnam, aber die größte Menschenrechtsverletzung in Vietnam ist sicherlich die Furie Krieg, die in diesem Land gewütet hat. Die Bundesrepublik Deutschland ist in diesen Krieg verstrickt, wir waren Bündnispartner der USA. Die Folgen dieses Krieges sind unglaublich...

Haben Sie verstanden, warum die Vietnamesen dennoch gegen den Basar demonstrieren?

Wir haben einen ganz starken anti-kommunistischen Haß herausgehört, und einige sind wirklich auch Thieu-Anhänger. Ein Sprechchor von ihnen war „Dioxin-blabla..“. Wenn jemand so spricht, dann will er nicht sehen, was dieser Krieg in diesem Land angerichtet hat, und möglicherweise will er das deswegen nicht sehen, weil er in diesem Krieg auch beteiligt war.

Am Freitag abend waren das in der großen Mehrzahl ganz junge Leute...

Das stimmt. Ich selbst war auch stark verwundert. Ich vermute, daß Vietnam-Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik kommen, schnell von diesen sehr stark agierenden Gruppen in Beschlag genommen und auch entsprechend agitiert werden.

Halten Sie es für unmöglich, die Exil-Vietnamesen in den Gemeindesaal hineinzulassen und auf dem Basar eine gemeinsame Form der Hilfe zu finden?

Das Gemeindehaus ist sehr voll, es sind viele ältere Leute da an diesem Abend und man muß doch davon ausgehen, daß die Exil-Vietnamesen emotional unglaublich beteiligt sind. Wir haben einfach die Befürchtung: Wenn die mit den Südvietnamesischen Fahnen, also der Fahne des Thieu-Regimes, in den Basar kommen, und andere aus politischen Gründen sagen, sie sollen diese Fahne wegpacken, kann es dann zu einem Handgemenge kommen. Es ist einfach eine Sicherheitsfrage, die uns dazu bewogen hat, zu sagen, die Exilvietnamesen können während des Basars nicht ins Gemeindehaus. Aber wir hätten überhaupt nichts dagegen, wenn sie hier um einen Raum bitten, um zu einem anderen Zeitpunkt ihr Vietnam-Bild darzustellen. Warum sie

demonstrieren

taz: Warum demonstrieren Sie hier vor dem Gemeindehaus?

Hoang Pham-Cong: Wir begrüßen die humanitäre Initiative dieser Gemeinde, aber jegliche Hilfe für Vietnam bedeutet eine Stärkung der Unterdrückungsmaßnahmen der Kommunisten an der vietnamesischen Bevölkerung.

Die Leute sammeln Geld für Dioxin-Opfer...

Nein. Sie sammeln das Geld für die Kader des kommunistischen Regimes. Die Kinder der Kader werden in vom Westen gut ausgestatteten Krankenhäusern behandelt, das Volk stirbt vor Hunger und Krankheit. Für die betroffenen Leute aus dem Volk gibt es keine medizinische Versorgung, weil 60% des Haushaltes für den Krieg ausgegeben werden. hier bitte das Foto

Vietnamesische Demonstranten vor der St.-Stephani -Gemeinde: „Ein Pfennig für die KP Vietnams ist eine Patrone für den Krieg“, „Freiheit für 500.000 politische Gefangene in Vietnam“ Foto: kw Sie demonstrieren hier mit der Fahne des Thieu-Regimes...

Nein. Wir sind gegen das Thieu-Regime, wir sind gegen die Besetzung der US-Truppen gewesen, aber wir sind für diese Fahne, weil sie für uns heilig ist. Die Fahne ist das Symbol eines Volkes, nicht eines Regimes.

Wann sind Sie aus Vietnam geflohen?

1968. Ich war 20 Jahre alt und in einer Gruppe gegen das Thieu-Regime. Ich bin hier Diplomingenieur im Flugzeugbau bei MBB geworden. Ich habe den Antrag gestellt, in mein Dorf zurückkehren zu können, um zu helfen. Als Kind habe ich Büffel betreut, dort gibt es keine elektrische Lampe, keine Zivilisation, die Leute stehen morgens mit dem Krähen der Hähne auf.

Ich habe meinem Bruder geschrieben, er soll zuhause bleiben. Aber mein Bruder hat mir gesagt: Die Kommunisten sind nicht so, wie Du meinst. Die Kommunisten haben Freiheit, Unabhängigkeit, Souveränität für das Vaterland, nationale Versöhnung versprochen, aber die Kommunisten sind anders. Sie haben in meinem Dorf 200 Menschen lebendig begraben. Die Kommunisten betrachten das südvietnamesische Volk als Gegner. Mein Bruder ist auch geflüchtet, er lebt jetzt in Frankreich, in Paris.

Wie könnten Sie sich denn Hilfe für Vietnam vorstellen, humanitäre Hilfe?

Das wäre die Aufgabe der Regierung. Sie müßte dem Volk helfen, müßte Krankenhäuser bauen, Rehabilitations-Zentren. Die Kommunisten haben gesagt, wenn wir die Yankees aus dem Lande treiben, dann können wir es zehnmal so schön wieder aufbauen. Aber anstatt das Land aufzubauen, werden die jungen Menschen nach Kambodscha und Laos geschickt...

Das heißt, Sie sind dagegen, jetzt hier Geld zu sammeln?

Ja. Wenn sie hier Geld sammeln, dann helfen sie der Regierung, damit sie freie Hand hat, ihre Herrschaft in Nachbarländer auszudehnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen