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200.000 Mark für Carola von Braun

■ FDP-Fraktionschefin bezieht Gehalt wie ein Senator/ Streit in der FDP/ Nur SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt verdient genauso gut/ Landowsky (CDU) wird von Pfandbriefbank bezahlt

Berlin. Wenn FDP-Chefin Carola von Braun am Sonntag von einer Fraktionsreise aus dem estländischen Tallinn zurückkehrt, muß sie sich auf peinliche Fragen einiger Parteifreunde gefaßt machen. Ausgelöst durch einen Brief des Freidemokraten Hermann Rintel, ist unter den Liberalen eine heftige Debatte über das Gehalt der Vorsitzenden entbrannt. Der Stein des Anstoßes: Von Braun bezieht als Vorsitzende der kleinsten Fraktion des Abgeordnetenhauses (18 Abgeordnete) ein Jahresgehalt von 200.000 Mark, ebenso viel wie ein Senator und 70.000 Mark mehr als ihr Vorgänger Walter Rasch.

Für ein solches Gehalt »gibt es keine rechtliche Grundlage«, kritisiert Susanne Thaler, Mitglied des Landes- und des Bundesvorstandes der FDP. Nach dem Abgeordnetengesetz steht auch einer Fraktionsvorsitzenden lediglich die normale Diät in Höhe von 4.790 Mark zu, zuzüglich 1.300 Mark Aufwandsentschädigung. Pro Jahr sind dies etwa 73.000 Mark. Sie würde einer Fraktionsvorsitzenden durchaus mehr Gehalt oder eine höhere Aufwandsentschädigung gönnen, versichert Susanne Thaler.

Was von Braun über ihre Diät hinaus bezieht, zahlen nicht die Steuerzahler, sondern die FDP-Fraktion aus ihren — vom Steuerzahler subventionierten — Mitteln. Der Fraktionsvorstand hatte die Gehaltssumme zu Beginn der Legislaturperiode fixiert. Nach Rintels Ansicht, so heißt es in der FDP, belastet dies über Gebühr das Konto der Fraktion. Das Chefinnengehalt gehe auf Kosten der Fraktionsarbeit.

Schon vergangene Woche erreichte die Diätendiskussion den Landesvorstand der Partei. Am Dienstag will das Gremium, mit der aus Tallinn zurückgekehrten Vorsitzenden am Tisch, den Fall erneut beraten. Von Braun war an ihrem estländischen Aufenthaltsort gestern nicht zu erreichen. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rolf-Peter Lange, der als einziges Fraktionsmitglied der Liberalen in Berlin die Stallwache übernommen hat, weigerte sich, eine Stellungnahme abzugeben. Es handele sich um eine Angelegenheit, zu der sich nur die Vorsitzende selbst äußern könne, ließ Lange verlauten.

Unter den Vorsitzenden der anderen Fraktionen bezieht nur SPD- Fraktionschef Ditmar Staffelt ein Gehalt in der gleichen Höhe. »Wir finden, daß ein Fraktionschef einer großen Fraktion in der Wertigkeit und dem Arbeitseinsatz mit einem Senator identisch ist«, erklärt Fraktionssprecher Yorck Kaempfer.

Alle anderen Fraktionen verzichten darauf, ihre Chefs extra zu entlohnen. Klaus Landowsky (CDU) erhält sogar nur die halbe Abgeordnetendiät. Freilich steht ihm als Vorstandschef der Pfandbriefbank ein fürstliches Gehalt zu. Wie hoch die Summe ist, die ihm die landeseigene Bank auszahlt, geht seiner Meinung nach »niemand etwas an«. Im Rathaus Schöneberg wird gemunkelt, es seien 400.000 Mark im Jahr.

Die PDS-Vorsitzende Gesine Lötzsch begnügt sich mit der üblichen Diät. Renate Künast von Bündnis 90/Grüne hat sich, so heißt es in der Fraktion, einen Zuschlag von 1.000 Mark auf den AL-Einheitslohn von 2.700 Mark ausbedungen. Dafür verzichtet sie zusammen mit ihrer Ko-Vorsitzenden Sibyll Klotz auf den Dienstwagen, der ihr als Fraktionschefin laut Gesetz zusteht. Anders PDS-Chefin Lötzsch: Sie und ihre Fraktionskollegen lassen sich fast täglich im Mercedes 200 kutschieren. »Für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Büros« sei der Wagen hilfreich, rechtfertigt sich Gesine Lötzsch. Ein weiteres Argument: Sie hat keinen Führerschein. hmt

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