2.000 Anschläge: Videoüberwachung als nächster Schritt?
■ Die Wirtschaftsprüfer der kultur.management.bremen (kmb) wollen Kulturförderung mit betriebswirtschaftlichen Methoden transparenter machen. Das befördert stromlinienförmige Event-Kultur, befürchtet Jens Schellhass
Warum eigentlich verkauft das Junge Theater keine Staubsauger? Warum wackeln in der Bremer Shakespeare Company nicht längst dicke Titten? Wann wird aus der Glocke endlich eine Disco? Von einem „Mitteleinsatz in Korrelation zur Zielerreichung“ sprach der Geschäftsführer der „kultur.management.bremen“ (kmb), Volker Heller, kürzlich bei einer Veranstaltung im Theater am Leibnizplatz. Der wäre schnell erreicht, wären da nicht zum Beispiel die 1,4 Millionen Mark, die seitens des Kulturressorts erst einmal direkt an die kmb zu verfüttern sind. Da müssen die Dinger ganz schön wackeln. Kultur? Volker Heller betont selbst, die kmb habe „kein politisches Interesse“!
In diesem Zusammenhang wird auch die „Zertifizierung“ etwas transparenter, mit der Bremens Kultureinrichtungen künftig beglückt werden sollen. Weit scheint der Schritt zur Zensur dann nicht mehr zu sein. Eine Zertifizierung in Betrachtung wirtschaftlicher Argumente kann die gesellschaftlichen Funktionen von Kultur nur außer Acht lassen. Die privatisierten Medien haben es vorgemacht: „Vera am Mittag“ hinterlässt Kandidaten mit psychischen Schäden, danach ein bisschen Nonsens und danach Möpse ohne Ende. Eine zu Boden fallende Schneeflocke ist Anlass zu Katastrophenmeldungen, die in privaten Nachrichten auf Platz eins gehören. Auf, Bremer Kultur, das ist der richtige Weg zu Quoten und Zertifizierungen! Inhalte, die eine Zertifizierung nicht erreichen, werden zensiert.
kmb-Geschäftsführer Heller beschreibt seine Firma während einer öffentlichen Vorstellung am 1. Februar 2000 als reines Kontrollorgan mit Beratungsfunktion und, man kann es immer noch nicht glauben, „ohne politisches Interesse“. Verständlich dann, dass im Wortschatz der kmb „Controlling“ am häufigsten genutzt wird. Das ist englisch und heißt Kontrolle. Ein Controller ist 1. Leiter(in), Aufseher(in), Aufsichtsführende(r), 2. Rechnungsprüfer(in), 3. Kontrolleur(in), 4. Steuer, Fahrschalter, Regler (PONS Kompaktwörterbuch '91). Ausdrücklich diktiert wird dazu seitens der kmb eine regelmäßige Berichtspflicht. Soweit also die Transparenz. Es gibt gewissermaßen Kohle auf Kaution. Die kmb als privater Sicherheitsdienst Bremer Kulturbetriebe? Warum nicht auch hier, wie demnächst am Sielwall, videoüberwacht?
Natürlich, Herr Heller: Von der Stange produzieren ist um einiges billiger zu haben als Kulturproduktionen, die den Anspruch haben, gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen. Kulturelle Supermärkte haben mit Sicherheit ihre Berechtigung. Sie glitzern auch so schön. Sie hinterfragen aber keine gesellschaftlichen Gegenwerte, vermitteln keine kulturellen Traditionen. „Jekyll & Hyde“ war ein unterhaltsamer, „Titanic“ ein spannender, Michael Jackson „open air“ ein imposanter Abend. Keiner aber nimmt aktuell Stellung, keiner Verantwortung. Jeder dieser Abende unterliegt ökonomischen Kalkül, Wirtschaftlichkeit gilt hier als oberstes Gebot.
In den Kultur-Event-Parks zeichnet sich – zumindest im Preisniveau – eine monopolistische Struktur ab. Keine soziale Verantwortung! Eine primär von Wirtschaftlichkeitskriterien diktierte Programmgestaltung ist eindimensional und verabschiedet sich vom zentralen demokratischen Topos der kulturellen Vielfalt. Keine kulturelle Verantwortung! Je mehr Kultur, umso mehr öffentliche Meinung, umso mehr gesellschaftspolitische Transparenz.
Ein von der kmb erarbeiteter Vorschlag zur Optimierung der Betriebsstruktur ist dabei ebenso wenig transparent wie eine Nacht im Nebel. Nicht nur, dass Herr Heller in diesem Vorschlag wirtschaftliche Behauptungen aufstellt, er macht sie nicht einmal begreifbar. Ohne genauer skizzierten Hintergrund bleibt da die Frage ungeklärt, warum bei jährlich dreiprozentiger Eintrittspreiserhöhung, wie es die kmb schreibt, die Einnahmen der Kulturbetriebe um 2,7 Millionen Mark steigen sollen, während unter der gleichen Überschrift eine nicht genauer bezifferte Anzahl von Betriebsschließungen angekündigt ist. Auf kulturelle Transparenz bleibt wohl lange zu warten: Kein politisches Interesse! Wie war das eigentlich bei den Werften?
Nun wird vielleicht auch klar, warum im Logo der kmb das „k“ wie Kultur und das „b“ wie Beratung rot gedruckt sind. Es wird so lange schwarz gemanagt, bis Kultur auf der roten Liste steht und die Beratung wegen roter Zahlen liquidiert wird. Na denn, „m“. Wie soll wer da der kmb – der der Senat, der selber das Vertrauen entzog, das Vertrauen schenkte – mehr vertrauen als dem alten Kanzler vor der Wende. Bekäme Kultur die Schwarzgelder aus politischem Vertrauen, wäre Kultur dann wieder legitim? Ein Szenario ...
Jens Schellhass, Autor dieser Polemik, ist Mitglied der Bremer Shakespeare Company, äußert sich an dieser Stelle aber als Privatperson
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