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20. Jahrestag der MaueröffnungDie Geschichte weitergeben

Berlin feiert den 20. Jahrestag der Maueröffnung als Event. Doch auch die Erinnerung an die Reichspogromnacht von 1938 ist dabei präsent.

"Der Mauerfall war für die gesamte Menschheit wichtig": Feierlichkeiten zum 20-Jahres-Jubiläum in Berlin. Bild: dpa

Die Geschichte beginnt mit Ernst Cramer. Der Publizist spricht beim Auftakt der Feierlichkeiten am 20. Jahrestag des Mauerfalls. In der Kapelle der Versöhnung, die auf dem einstigen Mauerstreifen in Berlin errichtet wurde, spricht der 96-Jährige von seinen Erinnerungen an den 9. November 1989, an "das Wunder der deutschen Geschichte" - und zugleich an den 9. November 1938: "Ich kann mich noch erinnern, wie die Nazis das Cello meines Vaters zerstört haben."

Cramer gibt den Spannungsbogen für den Jahrestag vor. Seine Eltern wurden von den Nazis ermordet. Er selbst war später lange Zeit Chefredakteur der Welt. Als die Mauer fiel, war er 76 Jahre alt. Er kann ein Jahrhundert überblicken und weiß, dass die Dinge zusammengehören. Um dieses Wissen geht es am Jahrestag. Die meisten Protagonisten sind noch da. Doch längst ist eine jüngere Generation nachgewachsen, die die Mauer nur noch vom Hörensagen kennt.

"Wir müssen den jungen Leuten zeigen, dass Demokratie erarbeitet werden kann", sagt wenig später Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein paar hundert Meter weiter bei der Eröffnung eines neuen Besucherzentrums der Gedenkstätte Berliner Mauer. Aus dessen Fenstern hat man den Todesstreifen im Blick, der einst die Stadtteile Wedding und Mitte trennte. Vor ein paar Tagen wurden erste rostfarbene Eisenstelen entlang der Straße aufgestellt. Sie sollen den Verlauf der Mauer nachvollziehbar machen. Zwischen den auf gerade einmal hundert Metern verbliebenen Resten der Originalmauer wurde Ende voriger Woche ein Wachturm wiedererrichtet.

Der Ausbau der Gedenkstätte ist Ausdruck eines Meinungswandels. Anfang der Neunzigerjahre wurde die einst 155 Kilometer lange Mauer fast komplett abgerissen. Heute wird sie als mahnendes Anschauungsmaterial vermisst. Auch deshalb wird in diesem Jahr das Gedenken so ausufernd inszeniert - und gefeiert. Am Brandenburger Tor waren am Wochenende rund tausend übergroße, von Schulklassen bunt bemalte Dominosteine zu bewundern, die auf dem großem Fest am Abend gekippt werden sollten. Der Mauerfall als Event, das nicht nur Deutsche begeistert. Ohne Scheu vor dem kaum vermeidlichen Pathos kommen Besucher aus aller Welt.

"Der Mauerfall", sagt etwa Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger aus Bangladesh, bei einer Presskonferenz am Mittag, "war für die gesamte Menschheit wichtig." Denn er zeige, dass alle Mauern eingerissen werden könnten, auch die der Armut.

Dazu gehört auch der Besuch des einstigen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, der am Nachmittag zusammen mit Angela Merkel die Brücke am ehemaligen Grenzübergang Bornholmer Straße überquert, wo vor 20 Jahren der erste Schlagbaum hochging. Dieser Tag sei nicht nur ein Feiertag für die Deutschen, sondern für ganz Europa, sagt Merkel. Dafür bekommt "Angie", wie die gut tausend Zuschauer hier rufen, großen Applaus. Auch der Exbürgerrechtler Joachim Gauck erntet Jubel für seine Bemerkung, der Ruf "Wir sind das Volk" erinnere ihn an "Yes we can". Der größte Star des Tages aber ist der Star von damals: "Gorbi".

Zu den Gratulanten gehört auch die holländische Band Noir. Die hat sich am Montagmorgen in Groningen in einen Bus gesetzt und ist mit über hundert Gitarristen nach Berlin gefahren, nur um eine halbe Stunde lang im Mauerpark "The Berlin Wall of Sound" zu präsentieren - ein eigens komponiertes Instrumentalstück. "Der Mauerfall war ein starkes Symbol für die Freiheit, und Freiheit ist das Gegenteil von Stille", erklärt der 24-jährige Douwe Dijkstra sein Projekt.

Die Geschichte endet mit Murat. "Mauerspecht" steht auf dem Schild, das dem Viertklässler vor dem Bauch baumelt. Aus seinem Kassettenrekorder sind Hammerschläge zu hören, so wie damals, als sich viele ein Stück aus der Mauer herausklopften. Murat hat kein Problem, sich vorzustellen, wie das war mit der die Stadt teilenden Mauer. "Die siehst du doch", sagt er und klopft auf das Mauerstück, das an der Bernauer Straße noch steht. Murat hat einen guten Zugang zur Geschichte. Seine Klassenlehrerin Sabine Gorecki kann über den Mauerfall aus eigener Erfahrung erzählen. Sie hat die Viertklässler der nahe gelegenen Gustav-Falke-Schule für die Klanginstallation begeistert. Die Schule wurde gerade republikweit bekannt, weil sie versucht, eine neu gewachsene Mauer an der Bernauer Straße einzureißen: Mit einer "Deutsch-Klasse" will sie für Eltern attraktiv werden, die in den schick sanierten Altbauten Ostberlins leben und um die Zukunft ihrer Kinder fürchten, wenn diese mit Migrantenkindern in eine Schule gehen.

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30 Kommentare

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  • A
    Alex

    @Peter Maas

     

    Was mich an dem platten Vergleich von Pogromnacht und Mauerfall mit dem angeblichen gemeinsamen Nenner "Kampf für die Freiheit" stört ist, dass dieser völlig ausgelatschte und v.a. am Montag mehr als überstrapazierte Begriff dazu benutzt wird, irgendwelche Bezüge zum 9.11.38 aufzubauen, nur weil 1938 eben auch noch angesprochen werden musste. Weder Freiheit, Freiheitskampf noch Freiheitsentzug waren das, woran man allgemein bei der Erinnerung an die Reichskristallnacht denkt. Die Pogrome wurden hier lediglich als Stichwort benutzt, um wieder auf undifferenzierte Freiheitsphrasen zu kommen. Weil irgendwie hat der 9.11. ja nur damit zu tun, weil das ein so schönes Walt-Disney-Geschichtsverständnis ist. Vorher unfrei eingesperrt hinter ner Mauer, jetzt frei, versteht jeder. Und 1938, na klar, hätte da jemand für Freiheit gekämpft, so wie 1989, dann wäre das alles nicht passiert. Weil die Nazis und das DDR-Regime, die sind ja vor dem Hintergrund eines solchen Freiheitsbegriffs auch das gleiche.

     

    Wenn Merkel ernsthaft was am 9.11.38 liegen würde - und dessen bloße Nennung nicht nur das Ableisten einer lästigen Pflicht ist - dann hätte ich mir echt eine etwas ausführlichere und v.a. differenzierte Betrachtung gewünscht.

  • O
    ole

    @ Kieler Matrose von der Volksmarinedivision

     

    Du bist mir schon so'n Leichtmatrose. Ist schon peinlich, wenn man am 10.11 rumpöbelt und ein Gedenken für den 11. anläßlich des Kriegsendes des 1. WK an einem 9.11 fordert.

     

     

    Heute hat die deutsche Kanzlerin an eben dieser Gedenkveranstaltung in Paris teilgenommen. Hoffentlich ist dir das nicht entgangen.

  • PM
    Peter Maas

    @Alex

    "Was meinte unsere furchtlose Führerin in Ihrem Phrasengewitter denn ...,"

     

    Das 4. Reich kommt übrigens doch nicht. Einen schönen Gruß an alle Salon-Antifaschisten!

     

    " ... als Sie davon sprach (ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis), dass der neunte November durch beide Ereignisse - Mauerfall und Progromnacht - daran erinnern, dass es sich lohnt, für Freiheit zu kämpfen.

    Wo wurde denn am 9.11.38 für Freiheit gekämpft?"

     

    Textinterpretation: Darf ich etwas nachhelfen? Der 9.11.1989 zeigt, was man erreichen kann, der 9.11.1938 zeigt, was auf dem Spiel steht beim Kampf für die Freiheit.

     

    "Ein judenFREIES Deutschland wird Angie ja nicht meinen."

     

    Was willst du uns mit diesem Satz zeigen? Deinen Sinn für Ironie?

     

    "Au Weia...wer liest da Korrektur? Da ist echt nur undifferenzierter Geschichtssalat im Kopf..."

     

    Ja, in deinem.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Die Mauer war wieder da, was spätestens die umgefallenen Dominosteine verdeutlicht haben. Vielleicht nicht zwischen Ost und West, aber sicher zwischen 'wir' das Volk und den Anderen.

  • O
    ole

    Ich habe selte so gelacht...

    http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,660313,00.html

    hätte von mir sein können, gedanklich zumindest.

     

    Aber zwei Tipps an @Gelderlander:

    Wenn Du schon den ganzen Tag TV glotzen mußt, erweitere doch deine Fernbedienung auf relavante Sender. Dann wäre dir auch nichts entgangen. Oder höre besser zu. Oder aber besuche einfach eine Gedenkstätte und gedenke der Opfer der Progromnacht, anstatt zu glotzen und zu motzen.

    Aber unterstelle niemals denen, die sich über den 9.Nov. betreffend der Maueröffnung freuen die Relativierung der Reichsprogromnacht, nur weil Du selbst nicht zu einer differenzierten Betrachtung in der Lage bist.

  • EK
    Ein Kieler Matrose von der Volksmarinedivision

    Bei genauer betrachtung der historischen entwicklung müsste im öffentlichen gedenken und in der erinnerung eigentlich ein bogen geschlagen werden von der Oktoberreform und Novemberrevolution des jahres 1918 - stichworte: rekonstituierung und reform des reichstages vom 3. Oktober 1918 an, Kieler Matrosenaufstand am 4. November, Proklamation der Deutschen Republik und der Freien Sozialistischen Republik durch Philipp Scheidemann (SPD) und Karl Liebknecht (USPD) am 9. November 1918 - über das versagen der bürgerlichen eliten 1933 und die Reichspogromnacht 8./9. November 1938 bis hin zur Berliner maueröffnung am 9. Nov. 1989, welche Europa symbolisch wiedervereinigte.

    Diese daten stehen in einem zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

    Ein fragmentiertes gedenken und eine fragmentierte erinnerung, wie es die bundesregierung gestern wieder vor dem Brandenburger Tor zelebriert hat, wird der geschichte nicht gerecht.

    In Großbritannien und Nordamerika wird dieser tage des endes des Ersten Weltkrieges in form des Remembrance Days, der 11. November 1918 (!), sowie der millionen opfer von krieg und genozid, gedacht, während Merkel-Deutschland wie gewohnt nabelschau betreibt, sich in verdrängung übt und den karneval einläutet.

    Das ist pietätlosigkeit und geschichtsklitterung in reinkultur! Ich schäme mich für diese miserable deutsche regieleistung!

  • R
    rose

    Reichskristallnacht =Mauerfall aha!War nun das "tausendjährige Reich" so ein miefiges ,provinzielles Diktaturchen oder die DDR ein Staat des Völkermordes,totalen Zerstörung Europas?Mir scheint,zwanzig Jahre totaler Propaganda und Medienverblödung haben selbst bei der TAZ Früchte getragen.Dazu noch dieses peinliche Etwas von Jubelfeier....Ich fühle mich beleidigt,das man mir als GEZ -Zahler solch einen Schrott serviert.Offensichtlich glauben "die da oben"-die Masse der Bevölkerung hätte das gleiche geistige Niveau wie sie selbst.Zum Glück ist der Mist erst mal vorbei--bis zum nächsten Jubiläum.

  • A
    Alex

    Was für ein platter Abend: Mehr oder weniger identische Reden von politischen Hochkarätern mit jeweils einer zwanzigfachen Mindestnennung des Wortes Freiheit, eine uninspirierte Moderation (der Viva-Hüpfer war völlig unvorbereitet), musikalische Intermezzos an der Schmerzgrenze (Bon Jovi mit hohlen Rockerposen, die furchtbaren Adoro, die sich für nichts zu schade sind, wenn es um Politikerbegleitmusik geht, Herr van Dyk, bei dessen Hymne wohl Easy Listening und Schlagermusikmelodien Pate standen, einfach grausam), dazu zusammenhangslos reingeschnittene O-Töne, von Simultanübersetzern völlig zerhackstückte Reden (was hat Walesa da erzählt, das war doch völlig unverständlich) und dieses endlos in die Länge gezogene Umkippen der Mauerteile als das den Abend strukturierende Element. Und dazu eine Presse, die dieses uninspirierte Treiben völlig kritiklos abfeiert am nächsten Tag.

    Und wo es schon um die Progrome geht:

     

    Was meinte unsere furchtlose Führerin in Ihrem Phrasengewitter denn, als Sie davon sprach (ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis), dass der neunte November durch beide Ereignisse - Mauerfall und Progromnacht - daran erinnern, dass es sich lohnt, für Freiheit zu kämpfen.

    Wo wurde denn am 9.11.38 für Freiheit gekämpft? Ein judenFREIES Deutschland wird Angie ja nicht meinen. Au Weia...wer liest da Korrektur? Da ist echt nur undifferenzierter Geschichtssalat im Kopf...

  • G
    guapito

    Das Fest der Freiheit wurde diese Mickey-Mouse-Veranstaltung genannt.

    Kritische Stimmen durften jedoch nicht dabei sein. Überall nur Polizei und Absperrungen. Das ist also die Freiheit die so feierwürdig ist?

  • G
    gelderlander

    Hat sich eigentlich mal jemand Gedanken darüber gemacht, was dieses Spektakel gekostet hat? In Zeiten der Wirtschaftskrise Steuergelder in Millionenhöhe für ein solches "Event" zu verballen ist wirklich sinnlos.

     

    Zumal der 9. November in Sachen Deutscher Geschichte KEIN Tag zum Feiern ist, denn an diesem Tag brannten 1938 die Synagogen.

  • V
    vic

    Applaus für "Angie", ein Kosename für eine eiskalte...naja- Frau.

     

    Zwischen ihr und mir wird immer eine Mauer stehen.

  • MP
    Michaela Pahl

    Berlin feiert. Wer feiert? Tausende von Menschen liefen stundenlang durch Pfützen um die Medien- Mauer herum, die von dem Veranstalter um das Brandenburger Tor aufgebaut wurde. Es ist doch mehr als verständlich, dass viele Menschen an diesem Tag etwas näher am Ort des Geschehens gewesenen wären und an dem "Fest der Freiheit" - "Eintritt frei", so wie es groß auf überdimensionalen Digitalanzeigen proklamiert wurde, teilnehmen wollten. Einige Polizisten und "Stewards" fanden dies - im Namen des Veranstalters - nicht. Auch um Mitternacht war man noch damit beschäftigt, das Brandenburger Tor vor den Bürgern zu sichern - und die Technik abzubauen.

    20 Jahre Mauerfall...

  • PO
    Peter Offlovski

    Das diesem pathetischen, selbstglorifizierenden, selbstueberschaetzenden Treiben soviel Aufmerksamkeit seitens dieser Zeitung gespendet wird ist ziemich traurig.

    Dort manifestiert das eingwordene Kollektiv sein Geschichtsverstaendnis: (Zitat Blumfeld) eine eigene Geschichte aus reiner Gegenwart.

  • G
    Gelderlander

    Ich finde es persönlich erschreckend, das durch dieses, seit Wochen anhaltendes Getöse von 20 Jahren Mauerfall die Erinnerung und Mahnung an die „Reichspgromnacht“ zu einer reinen Randnotiz verurteilt wird. Ich habe heute den ganzen Tag in keinem Sender etwas darüber gehört, das an dieses Ereignis erinnert wird. Das Gefährliche daran sollte sich jeder selbst ausrechnen. In diesem Zusammenhang stimme ich dem Vorsitzenden des ZdJ, Herrn Kramer, zu: „Der 9.11.ist kein Tag für Bierzelte“!

     

    Zumal mich das noch sehr genau an eine hitzige Debatte zum 8. Mai 1985 erinnert, als ein gewisser Alfred „Django“ Dregger, Nachfolger von Helmut Kohl im Fraktionsvorsitz der CDU, anlässlich des 40. Jahrestages der Kapitulation dieses Datum als „Tag der Niederlage“ und der „Unterwerfung“ empfand. Keinesfalls seien die Deutschen damals befreit worden, so tönte die national-konservative Presse um ‘FAZ’ und ‘Welt’.

  • B
    BauderV.

    Kopf hoch! Wir sind ein Volk. Wir können stolz sein. Es hat uns gelungen etwas einzigartiges in der Welt zu schaffen. Es war unsere soziale Marktwirtschaft die dazu geführt hat, dass unsere Brüdern und Schwestern in Osten, aber auch die andere Völker unsere soziale Demokratie als Vorbild gesehen haben.Kopf hoch.Gott segne uns.

  • A
    Alex

    @Peter Maas

     

    Was mich an dem platten Vergleich von Pogromnacht und Mauerfall mit dem angeblichen gemeinsamen Nenner "Kampf für die Freiheit" stört ist, dass dieser völlig ausgelatschte und v.a. am Montag mehr als überstrapazierte Begriff dazu benutzt wird, irgendwelche Bezüge zum 9.11.38 aufzubauen, nur weil 1938 eben auch noch angesprochen werden musste. Weder Freiheit, Freiheitskampf noch Freiheitsentzug waren das, woran man allgemein bei der Erinnerung an die Reichskristallnacht denkt. Die Pogrome wurden hier lediglich als Stichwort benutzt, um wieder auf undifferenzierte Freiheitsphrasen zu kommen. Weil irgendwie hat der 9.11. ja nur damit zu tun, weil das ein so schönes Walt-Disney-Geschichtsverständnis ist. Vorher unfrei eingesperrt hinter ner Mauer, jetzt frei, versteht jeder. Und 1938, na klar, hätte da jemand für Freiheit gekämpft, so wie 1989, dann wäre das alles nicht passiert. Weil die Nazis und das DDR-Regime, die sind ja vor dem Hintergrund eines solchen Freiheitsbegriffs auch das gleiche.

     

    Wenn Merkel ernsthaft was am 9.11.38 liegen würde - und dessen bloße Nennung nicht nur das Ableisten einer lästigen Pflicht ist - dann hätte ich mir echt eine etwas ausführlichere und v.a. differenzierte Betrachtung gewünscht.

  • O
    ole

    @ Kieler Matrose von der Volksmarinedivision

     

    Du bist mir schon so'n Leichtmatrose. Ist schon peinlich, wenn man am 10.11 rumpöbelt und ein Gedenken für den 11. anläßlich des Kriegsendes des 1. WK an einem 9.11 fordert.

     

     

    Heute hat die deutsche Kanzlerin an eben dieser Gedenkveranstaltung in Paris teilgenommen. Hoffentlich ist dir das nicht entgangen.

  • PM
    Peter Maas

    @Alex

    "Was meinte unsere furchtlose Führerin in Ihrem Phrasengewitter denn ...,"

     

    Das 4. Reich kommt übrigens doch nicht. Einen schönen Gruß an alle Salon-Antifaschisten!

     

    " ... als Sie davon sprach (ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis), dass der neunte November durch beide Ereignisse - Mauerfall und Progromnacht - daran erinnern, dass es sich lohnt, für Freiheit zu kämpfen.

    Wo wurde denn am 9.11.38 für Freiheit gekämpft?"

     

    Textinterpretation: Darf ich etwas nachhelfen? Der 9.11.1989 zeigt, was man erreichen kann, der 9.11.1938 zeigt, was auf dem Spiel steht beim Kampf für die Freiheit.

     

    "Ein judenFREIES Deutschland wird Angie ja nicht meinen."

     

    Was willst du uns mit diesem Satz zeigen? Deinen Sinn für Ironie?

     

    "Au Weia...wer liest da Korrektur? Da ist echt nur undifferenzierter Geschichtssalat im Kopf..."

     

    Ja, in deinem.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Die Mauer war wieder da, was spätestens die umgefallenen Dominosteine verdeutlicht haben. Vielleicht nicht zwischen Ost und West, aber sicher zwischen 'wir' das Volk und den Anderen.

  • O
    ole

    Ich habe selte so gelacht...

    http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,660313,00.html

    hätte von mir sein können, gedanklich zumindest.

     

    Aber zwei Tipps an @Gelderlander:

    Wenn Du schon den ganzen Tag TV glotzen mußt, erweitere doch deine Fernbedienung auf relavante Sender. Dann wäre dir auch nichts entgangen. Oder höre besser zu. Oder aber besuche einfach eine Gedenkstätte und gedenke der Opfer der Progromnacht, anstatt zu glotzen und zu motzen.

    Aber unterstelle niemals denen, die sich über den 9.Nov. betreffend der Maueröffnung freuen die Relativierung der Reichsprogromnacht, nur weil Du selbst nicht zu einer differenzierten Betrachtung in der Lage bist.

  • EK
    Ein Kieler Matrose von der Volksmarinedivision

    Bei genauer betrachtung der historischen entwicklung müsste im öffentlichen gedenken und in der erinnerung eigentlich ein bogen geschlagen werden von der Oktoberreform und Novemberrevolution des jahres 1918 - stichworte: rekonstituierung und reform des reichstages vom 3. Oktober 1918 an, Kieler Matrosenaufstand am 4. November, Proklamation der Deutschen Republik und der Freien Sozialistischen Republik durch Philipp Scheidemann (SPD) und Karl Liebknecht (USPD) am 9. November 1918 - über das versagen der bürgerlichen eliten 1933 und die Reichspogromnacht 8./9. November 1938 bis hin zur Berliner maueröffnung am 9. Nov. 1989, welche Europa symbolisch wiedervereinigte.

    Diese daten stehen in einem zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

    Ein fragmentiertes gedenken und eine fragmentierte erinnerung, wie es die bundesregierung gestern wieder vor dem Brandenburger Tor zelebriert hat, wird der geschichte nicht gerecht.

    In Großbritannien und Nordamerika wird dieser tage des endes des Ersten Weltkrieges in form des Remembrance Days, der 11. November 1918 (!), sowie der millionen opfer von krieg und genozid, gedacht, während Merkel-Deutschland wie gewohnt nabelschau betreibt, sich in verdrängung übt und den karneval einläutet.

    Das ist pietätlosigkeit und geschichtsklitterung in reinkultur! Ich schäme mich für diese miserable deutsche regieleistung!

  • R
    rose

    Reichskristallnacht =Mauerfall aha!War nun das "tausendjährige Reich" so ein miefiges ,provinzielles Diktaturchen oder die DDR ein Staat des Völkermordes,totalen Zerstörung Europas?Mir scheint,zwanzig Jahre totaler Propaganda und Medienverblödung haben selbst bei der TAZ Früchte getragen.Dazu noch dieses peinliche Etwas von Jubelfeier....Ich fühle mich beleidigt,das man mir als GEZ -Zahler solch einen Schrott serviert.Offensichtlich glauben "die da oben"-die Masse der Bevölkerung hätte das gleiche geistige Niveau wie sie selbst.Zum Glück ist der Mist erst mal vorbei--bis zum nächsten Jubiläum.

  • A
    Alex

    Was für ein platter Abend: Mehr oder weniger identische Reden von politischen Hochkarätern mit jeweils einer zwanzigfachen Mindestnennung des Wortes Freiheit, eine uninspirierte Moderation (der Viva-Hüpfer war völlig unvorbereitet), musikalische Intermezzos an der Schmerzgrenze (Bon Jovi mit hohlen Rockerposen, die furchtbaren Adoro, die sich für nichts zu schade sind, wenn es um Politikerbegleitmusik geht, Herr van Dyk, bei dessen Hymne wohl Easy Listening und Schlagermusikmelodien Pate standen, einfach grausam), dazu zusammenhangslos reingeschnittene O-Töne, von Simultanübersetzern völlig zerhackstückte Reden (was hat Walesa da erzählt, das war doch völlig unverständlich) und dieses endlos in die Länge gezogene Umkippen der Mauerteile als das den Abend strukturierende Element. Und dazu eine Presse, die dieses uninspirierte Treiben völlig kritiklos abfeiert am nächsten Tag.

    Und wo es schon um die Progrome geht:

     

    Was meinte unsere furchtlose Führerin in Ihrem Phrasengewitter denn, als Sie davon sprach (ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis), dass der neunte November durch beide Ereignisse - Mauerfall und Progromnacht - daran erinnern, dass es sich lohnt, für Freiheit zu kämpfen.

    Wo wurde denn am 9.11.38 für Freiheit gekämpft? Ein judenFREIES Deutschland wird Angie ja nicht meinen. Au Weia...wer liest da Korrektur? Da ist echt nur undifferenzierter Geschichtssalat im Kopf...

  • G
    guapito

    Das Fest der Freiheit wurde diese Mickey-Mouse-Veranstaltung genannt.

    Kritische Stimmen durften jedoch nicht dabei sein. Überall nur Polizei und Absperrungen. Das ist also die Freiheit die so feierwürdig ist?

  • G
    gelderlander

    Hat sich eigentlich mal jemand Gedanken darüber gemacht, was dieses Spektakel gekostet hat? In Zeiten der Wirtschaftskrise Steuergelder in Millionenhöhe für ein solches "Event" zu verballen ist wirklich sinnlos.

     

    Zumal der 9. November in Sachen Deutscher Geschichte KEIN Tag zum Feiern ist, denn an diesem Tag brannten 1938 die Synagogen.

  • V
    vic

    Applaus für "Angie", ein Kosename für eine eiskalte...naja- Frau.

     

    Zwischen ihr und mir wird immer eine Mauer stehen.

  • MP
    Michaela Pahl

    Berlin feiert. Wer feiert? Tausende von Menschen liefen stundenlang durch Pfützen um die Medien- Mauer herum, die von dem Veranstalter um das Brandenburger Tor aufgebaut wurde. Es ist doch mehr als verständlich, dass viele Menschen an diesem Tag etwas näher am Ort des Geschehens gewesenen wären und an dem "Fest der Freiheit" - "Eintritt frei", so wie es groß auf überdimensionalen Digitalanzeigen proklamiert wurde, teilnehmen wollten. Einige Polizisten und "Stewards" fanden dies - im Namen des Veranstalters - nicht. Auch um Mitternacht war man noch damit beschäftigt, das Brandenburger Tor vor den Bürgern zu sichern - und die Technik abzubauen.

    20 Jahre Mauerfall...

  • PO
    Peter Offlovski

    Das diesem pathetischen, selbstglorifizierenden, selbstueberschaetzenden Treiben soviel Aufmerksamkeit seitens dieser Zeitung gespendet wird ist ziemich traurig.

    Dort manifestiert das eingwordene Kollektiv sein Geschichtsverstaendnis: (Zitat Blumfeld) eine eigene Geschichte aus reiner Gegenwart.

  • G
    Gelderlander

    Ich finde es persönlich erschreckend, das durch dieses, seit Wochen anhaltendes Getöse von 20 Jahren Mauerfall die Erinnerung und Mahnung an die „Reichspgromnacht“ zu einer reinen Randnotiz verurteilt wird. Ich habe heute den ganzen Tag in keinem Sender etwas darüber gehört, das an dieses Ereignis erinnert wird. Das Gefährliche daran sollte sich jeder selbst ausrechnen. In diesem Zusammenhang stimme ich dem Vorsitzenden des ZdJ, Herrn Kramer, zu: „Der 9.11.ist kein Tag für Bierzelte“!

     

    Zumal mich das noch sehr genau an eine hitzige Debatte zum 8. Mai 1985 erinnert, als ein gewisser Alfred „Django“ Dregger, Nachfolger von Helmut Kohl im Fraktionsvorsitz der CDU, anlässlich des 40. Jahrestages der Kapitulation dieses Datum als „Tag der Niederlage“ und der „Unterwerfung“ empfand. Keinesfalls seien die Deutschen damals befreit worden, so tönte die national-konservative Presse um ‘FAZ’ und ‘Welt’.

  • B
    BauderV.

    Kopf hoch! Wir sind ein Volk. Wir können stolz sein. Es hat uns gelungen etwas einzigartiges in der Welt zu schaffen. Es war unsere soziale Marktwirtschaft die dazu geführt hat, dass unsere Brüdern und Schwestern in Osten, aber auch die andere Völker unsere soziale Demokratie als Vorbild gesehen haben.Kopf hoch.Gott segne uns.