20 Jahre Pflegeversicherung: Viele brauchen Sozialhilfe

Mit einem Festakt soll die Einführung der Pflegeversicherung vor 20 Jahren gewürdigt werden. Dabei reicht das ausgeschüttete Geld im Pflegefall oft nicht aus.

2013 waren 444.000 Pflegebedürftige auf finanzielle Unterstützung angewiesen Bild: dpa

BERLIN/SAARBRÜCKEN kna/dpa | 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung werden offenbar immer mehr Pflegebedürftige zum Sozialfall. Wie die Saarbrücker Zeitung in der Dienstag-Ausgabe berichtet, ist die Zahl der Empfänger von staatlicher „Hilfe zur Pflege“ allein seit 2005 um rund 31 Prozent gestiegen. Das Blatt beruft sich dazu auf eine aktuelle Datenübersicht des Statistischen Bundesamtes.

Während demnach vor zehn Jahren knapp 340.000 Pflegebedürftige auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren, wurden im Jahr 2013 bereits 444.000 Fälle registriert. Auch die staatlichen Nettoausgaben zur Finanzierung armutsgefährdeter Pflegebedürftiger haben deutlich zugelegt – von 2,61 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 3,34 Milliarden im Jahr 2013. Nach dem Sozialgesetzbuch springt die Sozialhilfe ein, wenn die Pflegebedürftigen die Kosten nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, sieht in der wachsenden Zahl der Sozialfälle auch einen Ausdruck des demografischen Wandels. Die Sozialdemokratin plädierte für eine „solidarische Einbeziehung aller Bürger zur Finanzierung der Pflegeversicherung“, etwa durch einen Finanzausgleich zwischen der privaten und gesetzlichen Pflegeversicherung.

Die Sozialexpertin der Linken, Sabine Zimmermann, mahnte eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung an. Die Pflegeversicherung als Teilkostenprinzip funktioniere in immer mehr Fällen nicht, weil die Betroffenen und ihre Familien das Geld nicht aufbringen könnten, sagte Zimmermann. Sie sprach sich für einen Umbau der Pflegeversicherung „weg vom Zuschussprinzip, hin zur Vollversicherung“ aus.

Reformen nötig

Mehr als jeder dritte Bundesbürger hat nach einer Umfrage der Privaten Krankenversicherung (PKV) einen Pflegefall in seinem persönlichen Umfeld. Dies treffe besonders auf Ältere ab 55 Jahren (40 Prozent) zu, heißt es in der Umfrage des INSA-Instituts unter 2058 Personen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. PKV-Direktor Volker Leienbach betonte: „Das Thema Pflege ist endgültig mitten in unserer Gesellschaft angekommen.“ Neben den rund 2,6 Millionen Pflegebedürftigen selbst sind auch fast 30 Millionen Menschen in deren engen Umfeld damit konfrontiert.

Auch Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) forderte die Bundesregierung auf, endlich die nötigen Reformen in der Pflegeversicherung anzugehen. „Durch den Reformstau der vergangenen Jahre auf Bundesebene droht die Pflegeversicherung selbst zum Pflegefall zu werden“, sagte Steffens der Deutschen Presse-Agentur.

„Die Pflegeversicherung muss endlich den tatsächlichen Bedarf finanzieren“, erläuterte die Grünen-Politikerin weiter. Vor allem Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen warteten seit Jahren auf einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. So wichtig die Einführung der Pflegeversicherung vor 20 Jahren gewesen sei, die Jubelstimmung dürfe nicht über die Probleme hinwegtäuschen.

An diesem Dienstag will der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), mit einem Festakt die Einführung der Pflegeversicherung würdigen. Die Bundesregierung will in dieser Legislaturperiode die Pflegeversicherung in mehreren Reformstufen weiterentwickeln.

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