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20 Jahre MauerfallAlles so schön bunt hier

In Berlin wurde mit großen Aufwand der Mauerfall gefeiert. Statt an das politische Ereignis erinnerte das Fest vor allem an einen bunten Kindergeburtstag.

Viel Pomp am Brandenburger Tor gab es am Montag Abend. Bild: dpa

Das "Fest der Freiheit" in Berlin zum 20. Jahrestag des Mauerfalls - es ist überstanden. Leicht auszuhalten war es nicht, das auf unheilvolle Weise von der Hand der Berliner Offiziellen gezeichnete und per TV weltweit ausgestrahlte Event. Selbst Berlinkenner waren über den Trashfaktor erstaunt, obwohl die ja an die Wowereitsche Kulturindustrie ohne das kleinste Fünkchen Esprit gewöhnt sind.

Welche Bilder bleiben also? Immerhin ist es Sinn solcher international übertragenen Großveranstaltungen, global lesbare Erinnerungsbilder zu schaffen. Nur in zweiter Linie wird der Aufwand betrieben, damit Touristen und Zeitzeugen eine Wurst mehr essen als sonst und dabei Bon Jovi auf der Großleinwand angucken. Die eigentliche Herausforderung ist: Wie übersetzt eine Gesellschaft ein historisches Ereignis in eine zeitgemäße Ikonografie?

Die Veranstalter entschlossen sich, den Zusammenbruch des Sozialismus als harmlose Bilderserie zu inszenieren, mit Hilfe von Kinderarbeit. Genauer: Jugendliche erhielten den Auftrag, 1.000 zweieinhalb Meter hohe Styroporplatten mit wenn nicht immer lustigen, dann immer bunten Motiven zu bemalen. Die etwa 20 Kilo schweren "Dominosteine" bildeten dann auf dem ehemaligen Mauerverlauf eine heitere Kette. Ihr erstes Glied durfte von Lech Walesa umgestoßen werden - auf Kommando von Thomas Gottschalk. Blaue Laserstrahlen erleuchteten währenddessen unermüdlich den Himmel über dem angestrahlten Brandenburger Tor. Alles so schön bunt hier oder: Reenactment mit Kinderspielzeug, Trivialität ohne Grenzen.

Nach zwanzig Jahren Maueröffnung verweigert das offizielle Deutschland einen souveränen Umgang mit seiner jüngsten Geschichte und flüchtet blindlings in die Infantilität. Kein Preis ist ihm für diesen Eskapismus zu hoch. Früher hätten selbst die Konservativen ein solch lausiges Spektakel mit dem Hinweis auf den im Ausland zu verlierenden Ruf verhindert. Heute breitet die Berliner Republik ihre Provinzialität ungebremst vor der ganzen Welt aus.

Anstatt Berlin als Stadtlandschaft zu begreifen, die wie keine andere die Verwundungen durch den heißen und kalten Krieg sichtbar macht, sind Politik und Kulturmanagement besessen davon, die Narben mit bunten Bildchen der Belanglosigkeit zuzupflastern. Sie vermeiden alles, was auf die Gewalttätigkeit des geteilten Deutschlands verweist oder auf die Aggression, mit der Deutschland nach der geöffneten Mauer zu kämpfen hatte. Eine Aggression zwischen Ost- und Westdeutschen, der Ernüchterung vieler ehemaliger DDR-Bürger über das Leben unter kapitalistischen Vorzeichen. Diese Enttäuschung bekamen zunächst nicht wenige Migranten und Flüchtlinge zu spüren. Bei Jubiläen aber geht es natürlich nicht um die Verlierer. Sondern um das Gewonnene. Bleiben wir also bei den Siegern.

Dieser ist beim zweiten Mauerfall eindeutig nicht das "Volk". Sondern allein das Fernsehen. Noch schlimmer: das ZDF. Eilfertig tritt es mit seinen beiden Großerrungenschaften vor die Weltgemeinschaft: "Wetten dass..?" und Guido Knopp, dem hauseigenen Historikerclown.

Doch wie kommt eine Gesellschaft dazu, sich symbolisch so zu vergreifen? Angst ist der Grund. Oder sagen wir besser Feigheit. Nur keinen Konflikt thematisieren, nur nicht an eine kollektive Gewalterfahrung erinnern, für die die Mauer de facto das Symbol ist.

Auch die Tatsache, dass es Frankreich und Großbritannien waren, die bis zum Schluss ein geeintes Deutschland verhindern wollten, blieb bei allen Festtagspunkten ausgespart. Dass den nun laudierten Ostlern die Selbstbestimmung vorenthalten wurde, hat Mitterand und Thatcher damals nämlich wenig interessiert. Auch die reale Gefahr, wenn nur einige der russischen und deutschen Militärs zur Waffe gegriffen hätten, wird heute geflissentlich vergessen. Stattdessen soll die Einigung als harmonisches Volksfest ohne Grautöne erinnert werden, also als etwas, das es nie war.

Wenn aber ein hoch politisches Ereignis jeden politischen Gehalts und damit jeder Ambivalenz beraubt wird, entledigt man sich der Möglichkeit, auch nur etwas von der Dramatik von damals im Jetzt erfahrbar zu machen. Wer in seiner Geschichtsvergessenheit jedes Negative wie das Weihwasser scheut, kann keine Fallhöhe konstruieren, ergo keine Erleichterung oder Euphorie erzeugen. Ergebnis: abgrundtiefe Langeweile, großes Unbehagen.

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28 Kommentare

 / 
  • B
    Bendte

    @biene: Ossis waren schon immer selbstverständlich anerkannte Deutsche. Sie lebten nur in einem anderen Staat als der BRD. Sie kamen nicht "auf einmal" um Ihnen Angst einzujagen. Ehrlich gesagt, spricht aus Ihrem Beitrag die pure Ossi-Feindlichkeit die purem Rassismus entspricht. Und der entspricht und entsprach auch 1989 leider schon dem Zeitgeist. DDR-Bürger konnten nichts dafür, dass Einwanderern in der Alt-BRD nicht genügend Akzeptanz zuteil wurde. Keinem Menschen auf dieser Welt sollte das Heim angezündet werden. Sie wissen ja sicher, dass dies sowohl in alten wie in neuen Bundesländern geschah.

     

    Schade übrigens, dass so wenig Solidarisierung möglich ist sondern immer neue Fronten aufgemacht werden. Ich habe seit "West-Aufenthalten" nach der Vereinigung (das "wieder" sehe ich kritisch) einen Einblick bekommen dürfen wie sich "Neubürger" der BRD fühlen... von wie vielen älteren Menschen ich angesprochen wurde, ich sei doch jung und könne mir nun auch einen Mann im Westen suchen! Dann könnte ich auch endlich im Westen leben, endlich! Endlich könnte ich meinen Herkunftsmakel per Amtsbescheid ablegen. So eine ekelhafte Arroganz über das eigene (westdeutsche) Bessersein ist sehr sicher nicht nur mir widerfahren.

  • DB
    Dietmar B. Streu

    Vielen Dank Frau Kappert,

    kürzer und prägnanter kann man/frau! den Wahn des Wiedervereinigungsgedudels und die Verklärung der historischen Fehler nicht kommentieren. Dummerweise war dies alles gewollt, nix Zufall, da hat man mal auf die Schnelle einen ganzen Staat annektiert und die Menschen vergessen. Ich hätte den damaligen DDR-Bürgern heftig gewünscht, sich ihr neues Ziel selbst zu definieren. Das schlichte Kohl'sche wegwischen der Vergangenheit wird sich noch lange rächen.

  • B
    biene

    bei diesen festlichkeiten wird mir leicht unbehaglich. ich bin eine sog. deutsche mit migrationshintergrund und fühle mich irgendwie nicht dazugehörig, wann immer deutschland die gelegenheit nutzt und sich so richtig vereint, nationalstolz, deutsch fühlt und dies ausgiebig&populistisch zelebriert.

    ich finde es sehr schade (aber keinesfalls überraschend), dass die situation der migrantInnen, die in deutschland waren, zur zeit der wende nicht thematisiert wird. wie war es wohl für jemanden, der in den 60ern/70ern als gastarbeiter herkam und sich die ganze zeit über hier eine akzeptanz und integration seitens der deutschen bevölkerung aufbauen musste, um hier ein "zuhausegefühl" zu schaffen.

    auf einmal kamen sie, die ossis. auf einmal waren sie ganz selbstverständlich anerkannte deutsche. auf einmal wurden sehr viele arbeitsstellen, die gerade von gastarbeitern belegt wurden, gestrichen.

    ein satz wert wäre dies zwischen feuerwerk und gottschalk allemal. (ganz zu schweigen von den kurz darauffolgenden anschlägen auf asylbewerberheime).

    cheers deutschland, congratulations.

  • AA
    al addizzy

    'Ja-ja-ja-jaah! Das ist die Berliner Luft, wuff, wuff! ... .'

    Als besonders perfide empfand ich, dass sich das 'offizielle Deutschland' nicht nur 'blindlings in die Infantilität flüchtet', sondern, dass der systemimmanente Profi-Kommentatoren-Tenor - auffälligerweise insbesondere von teutschen Reportern im marschmäßigen Gleichschritt angeschlagen - wieder mal sehr national-bräunlich daherkam: man wurde nicht müde, immer wieder zu behaupten, dass sich die GANZE WELT(!) - wieder mal von teutschem Boden ausgehend! - seit dem 'Mauerfall' grundlegend - implizit: zum Besseren für alle - geändert habe!

    Oder Frou A. Merkel: "..., es war eine epochale Zeitenwende!"

    Nein, das ist altbekannter deutscher, neurotischer Größenwahn à la Ex-Bundesminister der Finanzen Theodor „Theo“ Waigel:

    "Jaah! Wir sind wieder wer!". wuff, wuff, wuff!

    Ja-ja-ja-jaah! Das reinste Trauerspiel mit echten teutschen Schäferhunden und Gefahrenpotential!

    Währet dem Mimikry!

  • FP
    Frank Peter

    Ich war auch sehr enttäuscht und hab den ganzen Abend gewartet, dass irgendwelche Wettpaten präsentiert werden. Seit dieser Sendung kann ich mit dem Begriff "Fremdschämen" etwas anfangen.

  • VP
    Viktor Pavel

    Ja, Lech mich doch am Walesa! Nun hat der Veteran der Geschichte also doch noch die Mauer zu Fall gebracht. Der alte Madonna-Konzert-Bekämpfer (kein Witz!) war sich leider nicht zu doof, beim infantilen Domino Day zum Mauerfallgedenken mitzumachen und den urst schau bunt bemalten Styroporblöcken den entscheidendenden Schubs zu geben.

  • G
    gregor

    TAZ Schreibt: "Nach zwanzig Jahren Maueröffnung verweigert das offizielle Deutschland einen souveränen Umgang mit seiner jüngsten Geschichte und flüchtet blindlings in die Infantilität." Wunderbar geschrieben und richtig schön erfaßt. Eigentlich symbolisiert der Mauerfall schon jetzt ein Versagen. Die Chancen wurden kaum genutzt. Eine bessere, höher entwickelte Gesellschaft ist nicht in Sicht.

  • P
    p.matt

    schönes Video zum Thema:

    http://www.youtube.com/watch?v=Tmfi2epotgM

  • PU
    P. U. Baer

    Ein wenig hat es die Organisation doch geschafft, ein Deja-Vue herbeizuführen: Nur Wenige einfache Bürger, die schon Stunden vor Beginn an der Festmeile waren, konnten sich das Spektakel in der Realität ansehen. Die große Mehrheit hatte keine Chance auch nur halbwegs in die Nähe des Brandenburger Tores zu kommen. Die Gesamtdeutsche Polizei hatte alles weiträumiger abgesperrt, als es damals die Grenzpolizei der DDR tat. Importierte Jungpolizisten (oft kaum 20 Jahre alt) bewachten diese neue Grenze mit den ähnlichen Argumenten wie 1989: "Sicherheit" und "Befehl von oben".

     

    So durften etliche Kämpfer von damals vereinzelt wieder "Wir sind Volk!" und "lasst uns durch!" rufen, blieben aber ungehört.

     

    Schön wurde es dann erst, als die Fernsehkameras abgeschaltet und Merkel und Co. weg waren.

     

    Einzelaktionen, Menschen, die damals wirklich dabei waren, kamen ins Gespräch und tranken gemeinsam Sekt und Bier.

    Der einsame Trompeter, der Puhdys "Über sieben Brücken musst Du gehen" intonierte, hat mehr echte Mauerfallstimmung erzeugt als der ganze "Wetten Dass"-Scheiß davor.

     

    Ironie der Geschichte: Am Jahrestag der Maueröffnung war das Brandenburger Tor ein dauerhaft gesperrter "Backstage"-Bereich.

     

    Diese Jubiläumsfeier war ein reines Fernsehspektakel. Berlin nur Kulisse.

  • ID
    Irgen Dwer

    ...und nicht zu vergessen, daß es noch keine wiedervereinigung gibt. Sondern ein ausverkauf fand statt im sinne des großkapitals. Man möge sich nicht der illusion hingeben, daß die ganze steuerknete der allgemeinheit zugute kam. Der Fall TotalFinaElf steht stellvertretend für die sogenannte wiedervereinigung.

  • T
    tnc

    Gut zusammengefasst, der gestrige Tag und die Show am Brandenburger Tor...mir bleibt nur noch das Wort langweilig und unglaubwürdig, was die ganze Veranstaltung von Fr.Dr.Merkel Wendehals ehemalige FDJ Sekretärin betrifft.

  • I
    Ingo

    Schön. Jetzt weiß ich endlich was die "Verlierer" des Individualismus meiner Jugend geträumt haben, während ich mit Grass und Bier in der Alternativen Etage überm Zahnarzt schlechte Grafittis gekritzelt habe. Um dann nachher mit chemischen Drogen doch noch auf Businesskurs gebracht zu werden.

     

    Daraufstoße ich an. Lieben Gruß

  • R
    rose

    Netter Kommentar...Frauen sind offensichtlich doch das stärkere Geschlecht ;-) !

    Da hat also das "Blondchen" Gottschalk mit seinen

    Gästen den Sieg über die DDR gefeiert.Doch trotz dieser geballten Ladung an Geist und Charakter konnte dem Publikum nicht erklärt werden,wer von den Auserwählten denn die Mauer eingerissen hat;

    Laut dem kath. Bischof Zollitsch war es kein geringerer als Gott...Sein protest.Kollege Huber machte brennende Kerzen dafür verantwortlich,tatkräftig unterstützt von Gebeten...Natürlich haben beide vergessen,die wahren Helden zu erwähnen:Nach Lech Walesa waren das zu 50% Joh. Paul II,zu 30% er selbst und der Rest geht auf ein paar andere Leute zurück...

    Natürlich rechneten die vorgenannten nicht mit dem

    Springer-Verlag!Der hat nach intensivsten Recherchen festgestellt,das es Helmut Kohl war.

    Oder doch eher Genscher?Zumindest behauptet das die "Super Illu"...Oder doch Sarkozy?

    Auf gar keinen Fall die Bürger der DDR-das hätte ja irgendjemand irgendwann mal erwähnt!Wo kämen wir denn hin,wenn der Pöbel sich um seine ureigenen Angelegenheiten selbst kümmert...

  • J
    juevo

    Vor 20 Jahren stand ich am Übergang Heinrich-Heine-Straße und habe geklascht.

    Gestern habe ich einige tausend Kilometer davon entfernt in Buenos Aires die Fersehbilder gesehen. Nach einer halben Stunde sagte ich zu meinem kleinen Sohn: "Das ist mir zu landweilig, komm' wir gehen auf den Spielplatz."

    Dort haben wir dann Sandmauern zu Fall gebracht. Das war richtig spannend.

  • B
    Bendte

    @biene: Ossis waren schon immer selbstverständlich anerkannte Deutsche. Sie lebten nur in einem anderen Staat als der BRD. Sie kamen nicht "auf einmal" um Ihnen Angst einzujagen. Ehrlich gesagt, spricht aus Ihrem Beitrag die pure Ossi-Feindlichkeit die purem Rassismus entspricht. Und der entspricht und entsprach auch 1989 leider schon dem Zeitgeist. DDR-Bürger konnten nichts dafür, dass Einwanderern in der Alt-BRD nicht genügend Akzeptanz zuteil wurde. Keinem Menschen auf dieser Welt sollte das Heim angezündet werden. Sie wissen ja sicher, dass dies sowohl in alten wie in neuen Bundesländern geschah.

     

    Schade übrigens, dass so wenig Solidarisierung möglich ist sondern immer neue Fronten aufgemacht werden. Ich habe seit "West-Aufenthalten" nach der Vereinigung (das "wieder" sehe ich kritisch) einen Einblick bekommen dürfen wie sich "Neubürger" der BRD fühlen... von wie vielen älteren Menschen ich angesprochen wurde, ich sei doch jung und könne mir nun auch einen Mann im Westen suchen! Dann könnte ich auch endlich im Westen leben, endlich! Endlich könnte ich meinen Herkunftsmakel per Amtsbescheid ablegen. So eine ekelhafte Arroganz über das eigene (westdeutsche) Bessersein ist sehr sicher nicht nur mir widerfahren.

  • DB
    Dietmar B. Streu

    Vielen Dank Frau Kappert,

    kürzer und prägnanter kann man/frau! den Wahn des Wiedervereinigungsgedudels und die Verklärung der historischen Fehler nicht kommentieren. Dummerweise war dies alles gewollt, nix Zufall, da hat man mal auf die Schnelle einen ganzen Staat annektiert und die Menschen vergessen. Ich hätte den damaligen DDR-Bürgern heftig gewünscht, sich ihr neues Ziel selbst zu definieren. Das schlichte Kohl'sche wegwischen der Vergangenheit wird sich noch lange rächen.

  • B
    biene

    bei diesen festlichkeiten wird mir leicht unbehaglich. ich bin eine sog. deutsche mit migrationshintergrund und fühle mich irgendwie nicht dazugehörig, wann immer deutschland die gelegenheit nutzt und sich so richtig vereint, nationalstolz, deutsch fühlt und dies ausgiebig&populistisch zelebriert.

    ich finde es sehr schade (aber keinesfalls überraschend), dass die situation der migrantInnen, die in deutschland waren, zur zeit der wende nicht thematisiert wird. wie war es wohl für jemanden, der in den 60ern/70ern als gastarbeiter herkam und sich die ganze zeit über hier eine akzeptanz und integration seitens der deutschen bevölkerung aufbauen musste, um hier ein "zuhausegefühl" zu schaffen.

    auf einmal kamen sie, die ossis. auf einmal waren sie ganz selbstverständlich anerkannte deutsche. auf einmal wurden sehr viele arbeitsstellen, die gerade von gastarbeitern belegt wurden, gestrichen.

    ein satz wert wäre dies zwischen feuerwerk und gottschalk allemal. (ganz zu schweigen von den kurz darauffolgenden anschlägen auf asylbewerberheime).

    cheers deutschland, congratulations.

  • AA
    al addizzy

    'Ja-ja-ja-jaah! Das ist die Berliner Luft, wuff, wuff! ... .'

    Als besonders perfide empfand ich, dass sich das 'offizielle Deutschland' nicht nur 'blindlings in die Infantilität flüchtet', sondern, dass der systemimmanente Profi-Kommentatoren-Tenor - auffälligerweise insbesondere von teutschen Reportern im marschmäßigen Gleichschritt angeschlagen - wieder mal sehr national-bräunlich daherkam: man wurde nicht müde, immer wieder zu behaupten, dass sich die GANZE WELT(!) - wieder mal von teutschem Boden ausgehend! - seit dem 'Mauerfall' grundlegend - implizit: zum Besseren für alle - geändert habe!

    Oder Frou A. Merkel: "..., es war eine epochale Zeitenwende!"

    Nein, das ist altbekannter deutscher, neurotischer Größenwahn à la Ex-Bundesminister der Finanzen Theodor „Theo“ Waigel:

    "Jaah! Wir sind wieder wer!". wuff, wuff, wuff!

    Ja-ja-ja-jaah! Das reinste Trauerspiel mit echten teutschen Schäferhunden und Gefahrenpotential!

    Währet dem Mimikry!

  • FP
    Frank Peter

    Ich war auch sehr enttäuscht und hab den ganzen Abend gewartet, dass irgendwelche Wettpaten präsentiert werden. Seit dieser Sendung kann ich mit dem Begriff "Fremdschämen" etwas anfangen.

  • VP
    Viktor Pavel

    Ja, Lech mich doch am Walesa! Nun hat der Veteran der Geschichte also doch noch die Mauer zu Fall gebracht. Der alte Madonna-Konzert-Bekämpfer (kein Witz!) war sich leider nicht zu doof, beim infantilen Domino Day zum Mauerfallgedenken mitzumachen und den urst schau bunt bemalten Styroporblöcken den entscheidendenden Schubs zu geben.

  • G
    gregor

    TAZ Schreibt: "Nach zwanzig Jahren Maueröffnung verweigert das offizielle Deutschland einen souveränen Umgang mit seiner jüngsten Geschichte und flüchtet blindlings in die Infantilität." Wunderbar geschrieben und richtig schön erfaßt. Eigentlich symbolisiert der Mauerfall schon jetzt ein Versagen. Die Chancen wurden kaum genutzt. Eine bessere, höher entwickelte Gesellschaft ist nicht in Sicht.

  • P
    p.matt

    schönes Video zum Thema:

    http://www.youtube.com/watch?v=Tmfi2epotgM

  • PU
    P. U. Baer

    Ein wenig hat es die Organisation doch geschafft, ein Deja-Vue herbeizuführen: Nur Wenige einfache Bürger, die schon Stunden vor Beginn an der Festmeile waren, konnten sich das Spektakel in der Realität ansehen. Die große Mehrheit hatte keine Chance auch nur halbwegs in die Nähe des Brandenburger Tores zu kommen. Die Gesamtdeutsche Polizei hatte alles weiträumiger abgesperrt, als es damals die Grenzpolizei der DDR tat. Importierte Jungpolizisten (oft kaum 20 Jahre alt) bewachten diese neue Grenze mit den ähnlichen Argumenten wie 1989: "Sicherheit" und "Befehl von oben".

     

    So durften etliche Kämpfer von damals vereinzelt wieder "Wir sind Volk!" und "lasst uns durch!" rufen, blieben aber ungehört.

     

    Schön wurde es dann erst, als die Fernsehkameras abgeschaltet und Merkel und Co. weg waren.

     

    Einzelaktionen, Menschen, die damals wirklich dabei waren, kamen ins Gespräch und tranken gemeinsam Sekt und Bier.

    Der einsame Trompeter, der Puhdys "Über sieben Brücken musst Du gehen" intonierte, hat mehr echte Mauerfallstimmung erzeugt als der ganze "Wetten Dass"-Scheiß davor.

     

    Ironie der Geschichte: Am Jahrestag der Maueröffnung war das Brandenburger Tor ein dauerhaft gesperrter "Backstage"-Bereich.

     

    Diese Jubiläumsfeier war ein reines Fernsehspektakel. Berlin nur Kulisse.

  • ID
    Irgen Dwer

    ...und nicht zu vergessen, daß es noch keine wiedervereinigung gibt. Sondern ein ausverkauf fand statt im sinne des großkapitals. Man möge sich nicht der illusion hingeben, daß die ganze steuerknete der allgemeinheit zugute kam. Der Fall TotalFinaElf steht stellvertretend für die sogenannte wiedervereinigung.

  • T
    tnc

    Gut zusammengefasst, der gestrige Tag und die Show am Brandenburger Tor...mir bleibt nur noch das Wort langweilig und unglaubwürdig, was die ganze Veranstaltung von Fr.Dr.Merkel Wendehals ehemalige FDJ Sekretärin betrifft.

  • I
    Ingo

    Schön. Jetzt weiß ich endlich was die "Verlierer" des Individualismus meiner Jugend geträumt haben, während ich mit Grass und Bier in der Alternativen Etage überm Zahnarzt schlechte Grafittis gekritzelt habe. Um dann nachher mit chemischen Drogen doch noch auf Businesskurs gebracht zu werden.

     

    Daraufstoße ich an. Lieben Gruß

  • R
    rose

    Netter Kommentar...Frauen sind offensichtlich doch das stärkere Geschlecht ;-) !

    Da hat also das "Blondchen" Gottschalk mit seinen

    Gästen den Sieg über die DDR gefeiert.Doch trotz dieser geballten Ladung an Geist und Charakter konnte dem Publikum nicht erklärt werden,wer von den Auserwählten denn die Mauer eingerissen hat;

    Laut dem kath. Bischof Zollitsch war es kein geringerer als Gott...Sein protest.Kollege Huber machte brennende Kerzen dafür verantwortlich,tatkräftig unterstützt von Gebeten...Natürlich haben beide vergessen,die wahren Helden zu erwähnen:Nach Lech Walesa waren das zu 50% Joh. Paul II,zu 30% er selbst und der Rest geht auf ein paar andere Leute zurück...

    Natürlich rechneten die vorgenannten nicht mit dem

    Springer-Verlag!Der hat nach intensivsten Recherchen festgestellt,das es Helmut Kohl war.

    Oder doch eher Genscher?Zumindest behauptet das die "Super Illu"...Oder doch Sarkozy?

    Auf gar keinen Fall die Bürger der DDR-das hätte ja irgendjemand irgendwann mal erwähnt!Wo kämen wir denn hin,wenn der Pöbel sich um seine ureigenen Angelegenheiten selbst kümmert...

  • J
    juevo

    Vor 20 Jahren stand ich am Übergang Heinrich-Heine-Straße und habe geklascht.

    Gestern habe ich einige tausend Kilometer davon entfernt in Buenos Aires die Fersehbilder gesehen. Nach einer halben Stunde sagte ich zu meinem kleinen Sohn: "Das ist mir zu landweilig, komm' wir gehen auf den Spielplatz."

    Dort haben wir dann Sandmauern zu Fall gebracht. Das war richtig spannend.