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■ Mit dem Konjunkturprogramm auf Du und Du20 Jahre Globalsteuerung

Das neue Konjunkturprogramm der Bundesregierung muß einem ganz besonderen Anspruch gerecht werden. Es ist soetwas wie ein Jubiläumsprogramm: Vor 20 Jahren wurde mit dem „Stabilitäts– und Wachstumsgesetz“ (StWG) die Grundlage zu staatlicher Konjunkturpolitik, zur „antizyklischen Globalsteuerung“ gelegt, mit deren Hilfe der Bund Phasen des Boomes oder des Wachstumseinbruchs abdämpfen soll. Der SPD–Wirtschaftsprofessor Karl Schiller, quasi der Erfinder der Konjunkturpolitik in der Nachkriegszeit, warf damit 1967 als Bundeswirtschaftsminister das Konzept seines Vorgängers Erhard über den Haufen, das sich im „Maßhalten!“–Appell kristallisierte. Bis dahin betrieb allenfalls die Bundesbank Konjunkturpolitik über billige oder teure Kreditvergabe, nachdem sie aus dem Fenster geschaut hatte, obs gerade expandierte oder rezessierte in der Wirtschaft. Anlaß für den Umschwung war der erste größere Konjunktureinbruch 1966/67 mit damals beunruhigenden 459.000 Arbeitslosen. Mit zusätzlichen staatlichen Investitionen von 2,5 Milliarden DM trug man dazu bei, daß die Wachstumsrate wieder Rekordhöhen erklomm und die Arbeitslosenzahl 1969 auf 179.000 schrumpfte. Der Aufschwung hielt sich bis 1973. In der ersten Hälfte der siebziger Jahre ging die Bundesbank jedoch auf Kurs Inflationsabwehr, sie verknappte das Geld über geringere und teurere Kreditvergabe und trug damit zu erneuten Wachstumseinbrüchen bei. Daher stand das nächste Konjunkturprogramm, das die Bundesregierung 1975 auflegte, unter einem schlechten Stern, obwohl man diesmal doppeltgemoppelt verfuhr: Die Nachfrage kurbelte man mit 10 Milliarden DM an, für die Aufträge an den Hoch– und Tiefbau vergeben wurden. Die „Angebotsseite“ der Unternehmen versuchte man dadurch zu schmieren, daß man 7,5 Prozent der Investitionskosten befristet subventionierte. Das hatte jedoch lediglich den Effekt, daß die Unternehmen ihre Investitionen vorzogen, um die Zulage auszunutzen, so daß die Investitionsgüterindustrie hinterher vor einem umso größeren Auftragsloch stand. 1977 rang man sich zu einem „Zukunftsinvestitionsprogramm“ (ZIP) durch. 20 Milliarden sollte die gehätschelte Bauwirtschaft nun erhalten, wobei das Verfahren so lange dauerte, daß die Aufträge erst kamen, als die Bauwirtschaft 1978 bis 1980 schon wieder gut im Futter stand. Daher boomten nun vor allem die Baupreise. Das letzte Programm der sozialliberalen Regierung war die „Operation 82“: Mit 10 Milliarden Mark finanzierte man eine erneute 10prozentige Investitionszulage. Die neue Regierung zeigte sogleich, wos langgeht. Ihre „Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft“ 1983 (steuerliche Erleichterungen von Investitionen) wurden finanziert durch dramatische Einschnitte ins soziale Netz (Kürzungen bei Sozialhilfe, Kindergeld, Bafög usw., Anhebung der Umsatzsteuer). Die Folge: Die Massenkaufkraft reduzierte sich stark, so daß dieser Nachfrageeinbruch die Anregung der Investitionen „überkompensierte“, d.h. unterm Strich ging das Wachstum durch diese Maßnahmen zurück, die Arbeitslosenzahlen dagegen voran. ulk

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