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Archiv-Artikel

17. juni Ein Gedenktag – ganz originell

Das Schöne und Schreckliche an Gedenktagen ist ja, dass sie so sicher kommen wie der Sonnenaufgang – man muss nur warten können. Dass der 17. Juni 2003 irgendwann einmal kommen wird, ist seit Beginn der Zeitrechnung zu erwarten. Und seit dem 17. Juni 1953, seit dem Tag des Aufstandes in Ostberlin, ist eigentlich klar, dass sich auch der Tag regelmäßig jährt, an dem man an ihn und das damalige Geschehen denken könnte. Doch diese Gedankengänge scheinen für den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses ziemlich neu zu sein: Erst Ende März soll die Landesregierung nun nach seinem Willen ein Konzept vorlegen, wie man des 50. Jahrestags des Aufstandes in Berlin zweieinhalb Monate später gedenken will. Ist ja auch ein ganz origineller Gedanke, dass der Senat vielleicht 50 Jahre nach dem Aufstand in irgendeiner Weise diesen 17. Juni 1953 würdigt! Ursprünglich sollte das Konzept sogar noch später vorgelegt werden.

Kommentar von PHILIPP GESSLER

Man weiß gar nicht, ob man über solche geschichtspolitische Stümperei lachen oder weinen soll. Oder ist es etwa nicht Gedankenlosigkeit, sondern eher Überforderung? Tut sich dieser Senat deshalb so schwer mit dem Gedenktag, weil die PDS in ihm sitzt: die – sorry, das noch erwähnen zu müssen – Nachfolgepartei der SED, die den Aufstand brutal niederschlagen ließ?

Ausgeschlossen ist das nicht. Um so mehr aber wäre es an dem rot-roten Senat, mit dem Gedenktag 17. Juni offensiv umzugehen und seine Ambivalenz, also etwa die jahrzehntelange Instrumentalisierung des Aufstands in Ost und West, zu thematisieren.

Man sollte diesen Tag nicht den Kommunistenfressern und Stalin-Nostalgikern überlassen. Und vielleicht finden sich ja auch Traditionslinien vom 17. Juni 1953 zum 9. November 1989, der von allen, na ja, fast allen Berlinerinnen und Berlinern als glücklicher Tag gefeiert wurde. Ein 50. Jahrestag, da alle Akteure in der Regel entweder altersmilde geworden oder tot sind, bietet eine Chance, alte Wunden zu heilen. Senat und Abgeordnetenhaus sollten diese Chance nutzen.

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