: 16 Zentimeter gedankliche Penetrationstiefe
betr.: „Ein Bambi für Reich-Ranicki“ von Wiglaf Droste, taz vom 11. 2. 00
[...] Ich habe das Buch „Mein Leben“ von Marcel Reich gelesen sowie einige andere Bücher von ihm. Dann lese ich den „Beitrag“ und fasse mich ans Scrotum, mein Kopf ist mir dafür zu schade.
Welch gebildeter Schreiber – denke ich –, er kennt sich aus in der männlichen Anatomie! Leider reicht die gedankliche Penetrationstiefe von Droste gerade mal 16 cm! Dieser Beitrag verkörpert weder eine körperliche noch geistige Leistung, das ist frustran für die Beteiligten!
Droste versucht sein modern lackiertes Ganzkörperkondom mit gedanklicher Peristaltik zu perforieren, ihm fehlt leider der embryonale Schneidezahn dazu.
[...] Ich finde es widerlich, wie ein Nachkriegszögling einen Repräsentanten unserer jüngeren Geschichte bewertet. Vergessen wir den Kniefall von Willy Brandt, alles nur Schau!
Kann Droste Schach spielen? Er könnte um das Leben seiner Angehörigen spielen? Der blanke Zynismus von Droste über die unbeschreiblichen Leiden der Menschen des Warschauer Gettos und die Bewertung der menschlichen, allzu menschlichen Reaktionen der Nachlesenden darauf lässt mich vermuten, dass genau diese Qualität den Schreiber hinreichend qualifiziert, an der Rampe zu selektieren. Oder steht Droste für die einzig wahre Ideologie, die ihn über alles erhebt? Das könnte man in einem Schauprozess klären!
Worüber eregiert sich (Zitat: Wehner) Droste?
Der Beitrag von Droste ist weder als Kritik der Bambi-Verleihung noch als Buchbewertung über Reich hinreichend verwertbar. Was es bedeutet, mit seinem Leben für etwas einzustehen, entzieht sich der Gehirnerbse von Droste. Rolf Kaiser, Berlin
Da hat der gute Wiglaf wieder einen Rundumschlag platziert.
Sicher muss man Reich-Ranicki nicht mögen. Droste darf ihn sogar hassen und beschimpfen. Auch die unbelesenen Buchhändler darf er beschimpfen (zum Glück bin ich ja Verlagskaufmann: ha, ha,).
Aber auf den großen Droste-Roman, der was mit Lieterratuhr zu tun hat, wartet die Gemeinde nun auch schon einige Jahre. Und das Buch vom Reich-Ranicki ist in der Tat lesenswert. Die Szenen im Getto, zum Beispiel mit den handschriftlich kopierten Kästner-Gedichten, sind mehr als traurig. Das hat nicht mit guten oder schlechten Deutschen zu tun. Manchmal sollte auch ein Wiglaf Droste das Visier seines Helmes hochklappen. Denn auch seine Portugal-Weihnachtsgeschichten waren zum Beispiel vollkommen uninteressante Geschichten. Die nur ein Leser versteht, der die Bande kennt.
Andreas Geil, Köln
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