: 1.483 Gewalttaten von rechtsaußen
Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1991 liegt vor/ Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten steigt/ Sieben Menschen von Rassisten ermordet/ Autonome bleiben begehrtes Observationsobjekt ■ Aus Bonn CC Malzahn
Bonn (taz) — Bundesinnenminister Rudolf Seiters hat gestern auf einer Pressekonferenz den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1991 vorgestellt. Die Anzahl der politisch motivierten Gewalttaten von Rechtsextremisten ist nach Angaben der Kölner Behörde im vergangenen Jahr erheblich gestiegen. Während die Verfassungsschützer 1990 gerade 270 solcher Straftaten registrierten, waren es 1991 insgesamt 1.483 Delikte — eine Steigerung um mehr als 500 Prozent. Seiters bezeichnete diesen Anstieg als besorgniserregend. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres seien bereits 650 Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gezählt worden. Sieben Menschen wurden von Rassisten ermordet.
Ende 1991 zählte der Verfassungsschutz (VS) insgesamt 76 rechtsextremistische Organisationen. Seiters wies darauf hin, daß die „Republikaner“ derzeit kein Observationsobjekt seien. Nur in Nordrhein-Westfalen wird die rechtsradikale Partei vom dortigen Landesamt beobachtet. Die Prüfung, ob die Reps bundesweit beobachtet werden sollen, sei aber noch nicht abgeschlossen, sagte Seiters. Auch eine Ausspähung der PDS sei noch nicht endgültig entschieden. Momentan werde die Linkspartei nicht beobachtet.
Trotz der Deeskalationserklärungen der RAF und der Revolutionären Zellen, die in diesem Jahr abgegeben worden sind, hält Seiters die Gefahr linksterroristischer Attentate und Anschläge weiterhin für „beachtlich“. Es bestehe kein Grund für eine Entwarnung. Da die Gewaltverzichtserklärungen dieser Gruppen an bestimmte Bedingungen geknüpft seien, könne man nicht sicher sein, wie lange sie gelten würden.
Mit besonderer Akribie widmeten sich die Beamten den Autonomen: Auf ihre Kappe gingen, so der Verfassungsschutz, die meisten Straftaten von Linksextremisten. Insgesamt 797 Gewalttaten seien 1991 aus dieser Szene heraus begangen worden, 210 mehr als im Vorjahr. Neben der Ermordung von Detlev Karsten Rohwedder geht der VS davon aus, daß auch der Mord an dem Berliner Senatsbeamten Hanno Klein von Linksterroristen begangen wurde. Die Berliner Staatsanwaltschaft ist von dieser Version nicht überzeugt und hat vor kurzem die Ermittlungen in diesem Fall wieder aufgenommen.
Der Verfassungsschutzbericht gibt seit 1990 auch Auskunft über die vermeintliche Sicherheitslage in den neuen Ländern. Danach ist die Zahl der militanten neonazistischen Skinheads in der Ex-DDR im Jahr 1991 mehr als doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern gewesen. Im Westen haben die Verfassungsschützer 1.200, im Osten über 3.000 Nazi- Glatzen gezählt. Während im vergangenen Jahr nichts darauf hinwies, daß es im Osten zu relativ mehr Gewalttaten gegen AusländerInnen und Asylbewerberheime kommt, hat sich das Gewicht im ersten Halbjahr 1992 verschoben. 35 Prozent aller rechtsextremistisch motivierten Straftaten wurden in der ersten Jahreshälfte in der Ex-DDR verübt, Tendenz steigend. Nur rund ein Fünftel aller Bundesbürger lebt in den neuen Ländern.
In der Ex-DDR gibt es bislang keine Landesämter für Verfassungsschutz. Die Kölner Beamten informierten sich hier im wesentlichen aus Zeitungen und über die Polizei. Auch in den alten Bundesländern könnten die VSler ihrem Job ohne Zeitungslektüre kaum nachgehen: Über 60 Prozent ihrer Informationen stammen aus offenen Quellen. Weitere 20 Prozent erhält der Verfassunsschutz durch freiwillige Auskünfte von Privatpersonen und durch befreundete Behörden. Immerhin ein Fünftel ihrer Arbeit erledigen die Schlapphüte durch eigene Recherchen.
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