: 100.000 LeserInnen verhaftet
■ Nach Demonstrationen für die Pressefreiheit in Indien wurden 100.000 Menschen festgenommen / Verklausulierter Maulkorberlaß der Regierung treibt die Leser auf die Straßen
Neu Dehli (afp/ap) - Mehr als 100.000 Menschen sind nach Protesten gegen ein geplantes Anti-Diffamierungsgesetz der indischen Regierung am Montag im indischen Unionsstaat Westbengalen festgenommen worden, berichtete die indische Nachrichtenagentur 'PTI‘. Zu den Protesten hatte der „Allindische Vorwärtsblock“, eine Partei der im Bundesstaat Westbengalen regierenden marxistischen Koalition aufgerufen. Der Entwurf war am 30.August vom Unterhaus angenommen worden, und sieht zwei Jahre Haft für Herausgeber, Verleger und Redakteure vor, die sich der „Diffamierung“ schuldig gemacht haben; bei „Wiederholungstätern“ erhöht sich die Strafe auf fünf Jahre.
Auf diesem Weg will die Regierung nach eigener Darstellung üble Nachrede gegen Beamte und Politiker eindämmen und deren Privatsphäre schützen. Die Opposition sieht darin hingegen eine Reaktion von Premierminister Rajiv Gandhi auf Bestechungsvorwürfe gegenüber Politikern, wie sie im Zusammenhang mit Waffenankäufen für die indische Armee im letzten Jahr laut wurden. Die Korruptionsvorwürfe hatten das Image des Premiers erheblich lädiert und nicht zuletzt dafür gesorgt, daß eine Koalition von sieben Oppositionsparteien unter dem Banner einer neuen „Saubermannpolitik“ heftigen Auftrieb bekommen hat. Landesweit provozierte der Maulkorberlaß den entschiedenen Protest indischer Journalisten, die unter anderem dafür sorgten, daß die 1.600 indischen Tageszeitungen einen Tag lang nicht erschienen. Selbst einige Mitglieder der regierenden Kongreßpartei haben sich gegen den Entwurf ausgesprochen. Gandhi sah sich unterdessen gezwungen, die Einbringung der Vorlage in die zweite Kammer des Parlaments auf unbestimmte Zeit zu verschieben. In der indischen Verfassung ist die Pressefreiheit garantiert. Sie wurde allerdings bereits unter Mutter Gandhi von 1975 bis 1977 außer Kraft gesetzt.
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