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100.000 Dollar pro Baum

Redwoodriesen in Privatbesitz kurz vor dem Fall – ein winziger Vogel bietet die einzige Handhabe, um die Rodungen zu stoppen  ■ Aus San Francisco Ingo Malcher

In Kalifornien gibt es noch 34.000 Hektar Redwoods. 32.000 Hektar davon stehen in Nationalparks. Der Rest gehört dem Holzfabrikanten Pacific Lumber. Die Hälfte davon, der Headwaters Forest in Humboldt Country, soll gegen den Protest von WaldschützerInnen jetzt gerodet werden.

„Für Pacific Lumber geht es dabei um eine ganze Menge Geld“, sagt Kathy Bailey von der Umweltschutzorganisation Sierra Club. „Das Holz der alten Redwoods hat eine bessere Qualität als das der jungen Bäume und ist dadurch teurer.“ Je nach Größe kassiert Pacific Lumber zwischen 75.000 und 100.000 US-Dollar pro Baum – immerhin sind die Bäume zum Teil 2.200 Jahre alt und so hoch wie die Freiheitsstatue.

Über hundert Jahre ging Pacific Lumber relativ schonend mit seinen Wäldern um. In Wäldern, die dem früheren Familienunternehmen gehören, stehen noch vereinzelt alte Redwoods. Doch im Jahre 1986 kaufte die Maxxam Corporation das Familienunternehmen. Nun muß die Firma Profit machen, auf Teufel komm raus. Denn Charles Hurwitz, der Besitzer von Maxxam steckt finanziell in der Klemme. Er kontrollierte bis Anfang der achtziger Jahre eine Hypothekenbank in Texas. Doch dann ging das Unternehmen den Bach hinunter. Aus dieser Zeit hat Hurwitz noch mindestens 300 Millionen Dollar Schulden. Er selbst bestreitet dies. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß er in einem derzeit laufenden Gerichtsverfahren dazu verdonnert wird, den Batzen zu bezahlen.

Die alten Redwoods sind nicht nur ein Naturdenkmal. Sie bieten auch vielen bedrohten Tierarten Schutz und sichern ihnen das Überleben. Der Marbled Murrelet, ein seltener Seevogel, ist auf die alten Redwoods zum Nisten angewiesen, da er zum Schutz vor Nesträubern ein Dach über seinem Brutplatz braucht (siehe Kasten). Auch der Coho-Lachs hätte in den ungestörten Flüssen des Headwaters Forest eine Chance zu überleben. Von seiner Sorte gibt es nur noch wenige in Kalifornien.

Bei der Ankunft von Kolumbus in Amerika standen an der Küste Nordkaliforniens zwischen Santa Cruz, südlich von San Francisco, bis zur Grenze zu Oregon 80.000 Hektar Redwoods. In Humboldt Country begann Pacific Lumber 1894 während des Goldrausches damit, die Bäume zu fällen. Zur gleichen Zeit wurden auch die Redwoodwälder in der Gegend um San Francisco abgeholzt. Nach dem großen Erdbeben im Jahre 1906 gab es eine weitere Welle des Rodens, weil viel Holz für den Wiederaufbau der Stadt gebraucht wurde.

Für das Fällen von Privatwäldern bedarf es in Kalifornien keiner Genehmigung. Die Firma muß lediglich ihr Vorhaben anzeigen. Von der Umweltbehörde kam kein Einspruch, als Pacific Lumber kürzlich ankündigte, tote und kranke Bäume aus dem Headwaters Forest räumen zu wollen. „Doch das hätte bedeutet, daß Schneisen in den Wald geschlagen werden und daß dort Wege hätten gebaut werden müssen“, erklärt Kathy Bailey. Eine von UmweltschützerInnen erzwungene Gerichtsentscheidung stoppte den Abtransport der Bäume vorläufig.

Die KlägerInnen beriefen sich auf das Gesetz zum Schutz bedrohter Tierarten, da durch diesen Eingriff der scheue Marbled Murrelet vertrieben würde. Ohne die alten Redwoods würde der Vogel in Kalifornien und Oregon aussterben und höchstens in Alaska überleben. Da es kein Gesetz gibt, das Rodungen verbietet, ist die einzige Möglichkeit die Abholzung einstweilen zu stoppen, der Verweis auf den bedrohten Marbled Murrelet.

Allerdings ist die Berufung auf den Marbled Murrelet zu wenig, um den Headwaters Forest für immer schützen zu können. Daher votieren Gruppen wie der Sierra Club und das Umweltschutz-Informationszentrum (Epic) für einen Debt for Nature Swap. Danach sollen Maxxam die Schulden erlassen werden, wenn der Konzern den Headwaters Forest dem Staat überschreibt. Ein solcher Deal geht allerdings nur unter Federführung des Weißen Hauses. Über die Zukunft der Bäume entscheidet dann Washington.

In der strukturschwachen Gegend verdienen sich viele ihren Lebensunterhalt mit einem Job in der Holzindustrie. Sie fürchten im Falle eines Schutzes des Headwaters Forests auf der Straße zu stehen. Sie und die Firma machen geltend, daß die Redwoods nachwachsen werden. Doch Reginald Barret, Professor für Biologie an der Universität Berkely, schränkt ein: „Wenn man die Bäume nutzt wie Getreide, werden sie nie alt genug, daß Tierarten sich in ihnen einnisten, die alte Bäume brauchen.“ In etwa fünf bis sechs Jahren wäre der Headwaters Forest abgeholzt. „Dann werden die Arbeiter ohnehin ihren Job verlieren“, sagt Kathy Bailey.

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