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10 Jahre im Kiez

■ Kreuzberger Verein SO36 feierte 10jähriges Bestehen

10 Jahre im Kiez

Kreuzberger Verein SO36 feierte 10jähriges Bestehen

Kerzen brennen auf der zuckersüßen Schokoladentorte, die der Bäcker um die Ecke dem Kreuzberger Verein SO36 zum Jubiläum vorbeibrachte: Der Verein wurde gestern zehn Jahre alt. Seine Gründung durch Anwohner und Gewerbetreibende war eine der Antworten auf den Wettbewerb des damaligen Bausenators Ristock (SPD) „Strategien für Kreuzberg“. Der Verein sollte die Initiativen des Kiezes nördlich und südlich des Görlitzer Bahnhofsgeländes zusammenfassen und die Stadterneuerung mittragen. Von Anfang an vertrat der Verein die Bewohnerinteressen im Stadtteilausschuß SO36, der damals ZIP-Ausschuß hieß, gegenüber Verwaltung, Politikern und Hauseigentümern. Viele Wohnungen im Kiez standen leer, die privaten Hauseigentümer bekamen mit dem ZIP-Programm erstmals 70 Millionen Mark an Senatsmitteln für insgesamt 70 Häuser mit der Auflage, Hinterhäuser und Seitenflügel abzureißen.

Die Abrisse konnten verhindert werden. Heute ist der Verein eine fest verankerte Institution: Vier Läden: in der Wrangel -, der Cuvry-, der Manteuffel- und der Wiener Straße, 17 Mieterberater, vier Gemeinwesenarbeiter, insgesamt 2,5 Millionen Mark Senatsknete im Jahr - die allerdings seit drei Jahren fortlaufend gekürzt wird. Der Stadtteilausschuß ist inzwischen von Behördenvertretern bis hin zur Senatsbauverwaltung als Diskussionsforum anerkannt. Auch der Emigrantenausschuß, der sich mit Problemen türkischer Kreuzberger beschäftigt, konnte manches öffentlich machen. Im Moment diskutiert er das angestrebte türkische Kulturzentrum auf dem Grundstück des abgebrannten Bolle -Supermarkts.

Den Verein beschäftigen heute Gewerbevertreibung, Spielhallen, die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die „Lücke -Kinder“ zwischen zehn und 14 Jahren, für die es keine Freizeitangebote gibt und die auf die Straße angewiesen sind, und die steigende Obdachlosigkeit, mitverschuldet durch das Sozialamt Kreuzberg, das sich weigert, Mieten für „zu große“ Wohnungen zu übernehmen. Die zunehmende Privatmodernisierung, die Verschlechterung des Modernisierungsprogramms des Senats und der Weiße Kreis werden die Mieten noch mehr in die Höhe treiben, erklärte der Mieterberater des Vereins, Lautenschläger. Das, was der Senat bisher in SO36 investiert habe, sei immer noch zu wenig und habe den Kreuzbergern kaum Arbeit und Ausbildungsplätze gebracht: Knapp eine Milliarde seit 1984, davon die Hälfte in Infrastruktur wie das Spreewaldbad, den inzwischen für 1995 anvisierten Görlitzer Park und die Kiezschule in der Skalitzer Straße.

Aufgelöst hat sich die BI SO36, das radikalere, übrigens ältere Gegenstück zum Verein, mit der eine „Arbeitsteilung“ bestanden hatte. So hatte die BI leerstehende BeWoGe -Wohnungen besetzt, der Verein daraufhin den übrigen BeWoGe -Leerstand wegverhandelt.esch

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