Dow Jones auf Vier-Jahres-Tief: Rettungspakete lassen Anleger kalt
Nachdem Deutschland eine Garantie auf rund 1,2 Billionen Euro Privatvermögen abgegeben hat, ziehen andere EU-Staaten nach. Dax und Dow Jones fallen trotzdem.
BERLIN taz Eigentlich sollte es auf dem Treffen der EU-Finanzminister an diesem Dienstag in Luxemburg vor allem darum gehen, das Finanzsystem für künftige Krisen weniger anfällig zu machen. Auf der offiziellen Tagesordnung stehen Initiativen wie etwa die zur Verbesserung der Aufsicht von Versicherungsunternehmen. Zu wenig für den aktionshungrigen französischen Präsidenten und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy. Er fordert von den Ressortchefs für das EU-Gipfeltreffen in der kommenden Woche eine umfassende gemeinsame Krisenstrategie.
Was verspricht die Bundesregierung?
Sie hat angekündigt, "alle privaten Einlagen" mit Staatsgarantien zu sichern. Gemeint sind aber nur Girokonten, Spareinlagen und Termingelder bei Banken, die dem deutschen Einlagensicherungsfonds angehören - Schätzungen zufolge rund 1,2 Billionen Euro.
Was ist mit dem Rest der 4,56 Billionen Euro, die die Bundesbürger besitzen?
Das sind beispielsweise Wertpapiere. Die Depots sind nicht bedroht, denn Aktien gehören immer dem Kunden. Geht eine Bank pleite, kann er sein Depot auf eine andere übertragen. Ein möglicher Werteverlust der Aktien ist allerdings sein Problem. Auch Inhaberschuldverschreibungen, zu denen die meisten Zertifikate gehören, werden von der Bundesgarantie wohl nicht erfasst. Geht der Emittent eines solchen Zertifikats pleite, kann das Geld komplett wegsein. Eine Ausnahme: Inhaberschuldverschreibungen von Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen.
Gab es bisher keine staatliche Einlagensicherung?
Bislang gibt es eine gesetzliche vorgeschriebene Einlagensicherung, die festschreibt, dass Banken Mitglied in der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken sind. Diese sichert pro Kunde 90 Prozent der Einlagen ab, höchstens 20.000 Euro. Im Prinzip weitet die neue Staatsgarantie dieses System aus.
Was sichern die Banken selbst ab?
Sparkassen-, Volks- und Raiffeisenbanken sind über eine Institutssicherung abgesichert: Schon wenn einem Institut die Pleite droht, müssen die anderen Mitglieder des jeweiligen Verbands ihm beispringen. Damit ist auch das Geld der Kunden unbegrenzt abgesichert. Die meisten privaten Banken sind am Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands Deutscher Banken beteiligt. Wie groß hier der Schutz ist, der über die gesetzlich garantierte Mindestsicherung hinausgeht, hängt von der Größe der Bank ab: Abgesichert sind Guthaben von bis zu 30 Prozent des Eigenkapitals der Bank. Das Minimum sind 1,5 Millionen Euro. Der Sicherungsfonds greift allerdings erst, wenn eine Bank pleite ist. Und er hat zwei Nachteile: Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Und: Zwar haben die Banken eine Nachschusspflicht, wenn das Vermögen des Fonds im Krisenfall nicht ausreicht. Wenn aber viele Institute zugleich betroffen sind, könnte er zusammenbrechen.
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi kündigte prompt an, sein Wirtschaftsminister werde noch einmal einen Fonds vorschlagen, in den die Staaten je 3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts einzahlen sollen. Bei einem Sondertreffen der vier größten EU-Länder am Samstag hatte die Bundesregierung sowohl diese als auch eine ähnliche französische Idee bereits abgelehnt. Dass zumindest eine europäische Koordinierung nottut, war in den letzten Tagen deutlich geworden, als sich die Länder mit ihren einzelstaatlichen Rettungsmaßnahmen gegenseitig unter Zugzwang setzten. Begonnen hatte die irische Regierung, die vergangenen Donnerstag eine generelle Garantie für alle Guthaben an den sechs in Irland registrierten Banken abgab. Griechenland folgte am Freitag, Deutschland am Sonntag. Beide Länder beschränken sich aber auf eine Garantie für Girokonten, Spareinlagen und Termingelder privater Anleger. Schweden verdoppelte die Einlagensicherung am Montag von 250.000 auf eine halbe Million Kronen (rund 71.000 Euro). In Großbritannien sollen Privatguthaben statt bisher bis 30.000 von nun an bis 50.000 Pfund (umgerechnet etwa 64.000 Euro) gesetzlich abgesichert sein. Auch Österreich kündigte an, die Einlagensicherung anzuheben.
Die dänische Regierung verabschiedete ebenfalls eine unbegrenzte Garantieerklärung. Allerdings verpflichtete sie die Banken zugleich, in den nächsten zwei Jahren 35 Milliarden Kronen (etwa 4,7 Milliarden Euro) in einen Einlagensicherungsfonds einzuzahlen. Und sie machte klar, dass weder Aktionäre noch Banken selbst mit zusätzlicher staatlicher Hilfe rechnen können. Die isländische Regierung stoppte am Montag den Handel mit Aktien von Banken und Versicherungen komplett.
Immerhin gab es für die zerschlagene und teilverstaatlichte belgisch-niederländische Bank Fortis eine Lösung. BNP Paribas, die größte Bank der Eurozone, übernimmt die Geschäfte in Belgien und Luxemburg. Dafür bekommt die belgische Regierung 11,6 Prozent, die luxemburgische 1,1 Prozent der BNP-Paribas-Anteile. Die Regierung in Den Haag hatte die niederländischen Fortis-Teile bereits am Freitag gekauft, aber Belgien und Luxemburg damit verstimmt, dass sie laut über "versteckte Probleme" in den anderen Bereichen redete.
Womöglich auch wegen solcher Nickligkeiten zwischen den Ländern bezweifeln die Anleger an den Finanzmärkten offenbar, dass Europa in der Lage ist, die Finanzkrise effektiv zu bekämpfen. Der Euro fiel zeitweise auf 1,35 US-Dollar und war damit so billig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Der Index für die europäische Bankenbranche verlor 6 Prozent. Der deutsche Leitindex DAX rutschte auf unter 5.320 Punkte ab, den tiefsten Stand seit Juli 2006. Der New Yorker Aktienindex Dow Jones fiel nach Handelsauftakt am Montag erstmals seit 2004 unter 10.000 Punkte.
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