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1. MaiRandale sorgt für Krawall

Nach den Ausschreitungen schlagen CDU und Polizeigewerkschaft zu: Der Innensenator und der Polizeipräsident würden ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Krawalle am 1. Mai - haben ein Nachspiel Bild: dpa

Der 1. Mai lässt Berlin nicht in Ruhe. Nach der seit Jahren heftigsten Randale setzte sich am Dienstag die Diskussion über das Polizeikonzept der Deeskalation fort. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verteidigte die Einsatzstrategie der "ausgestreckten Hand". An der Grundlinie werde sich nichts ändern. Wohl aber müsse im Detail "nachgesteuert" werden. Es habe "eindeutig zu viel Gewalt gegeben", so Wowereits Sprecher Richard Meng. Im nächsten Jahr müsse geklärt werden, ob die 18-Uhr-Demo noch durch das Myfest ziehen könne.

Auch der SPD-Landesvorstand verteidigte am Dienstag das Konzept. Die CDU setzte dagegen ihre scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei fort. Landeschef Frank Henkel polterte, dass Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch mit ihrem "Konzept des Wegschauens" ein Sicherheitsrisiko darstellen würden. Polizisten seien am 1. Mai zum Abschuss freigegeben worden. Henkels Parteikollege Robbin Juhnke fordert "die Zerstörung der Netzwerke linker Gewalt".

Die Kritiker stützen sich auch auf aktualisierte Zahlen der Polizei, die inzwischen von 440 verletzten Beamten am 1. Mai spricht. 21 von ihnen mussten außer Dienst genommen werden. Zunächst hatte die Polizei von 237 Verletzten gesprochen. Um welche Art der Verletzungen es sich im Einzelnen dabei handelt, ist unbekannt. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, erklärte die Berliner Polizeistrategie als "auf ganzer Linie gescheitert". Polizisten seien verheizt worden, der Staat habe vor dem Mob auf der Straße kapituliert. Wendt forderte einen Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus, um die Ereignisse zu klären. Wenn Polizeipräsident Glietsch weiter keine Alternative zum Deeskalationskonzept sehe, müsse man "über eine Alternative zum Polizeipräsidenten nachdenken".

Das Organisationsbündnis der 18-Uhr-Demonstration beklagt derweil mindestens 331 verletzte Teilnehmer. Rund 50 von ihnen sei mit teils schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus behandelt worden, so Sprecher Jonas Schiesser. Die Polizei habe keineswegs auf Deeskalation gesetzt, sondern "einen Einsatz wie in den 90ern gefahren". Schiesser erklärte sich bereit, im Abgeordnetenhaus Stellung zu der Demonstration zu nehmen: "Wir scheuen die politische Auseinandersetzung nicht."

Die Linken-Abgeordnete Evrim Baba unterstützte die Demonstrierenden: "Eine Einschränkung des Demonstrationsrechtes durch Verbote linksradikaler Demonstrationen lehne ich ab." Baba kritisierte zudem den Einsatz der Polizei am 1. Mai in Köpenick. Sie selbst habe Prellungen erlitten und sei mit Pfefferspray angegriffen worden, als Beamte eine Sitzblockade gegen anreisende NPD-Anhänger auf dem S-Bahnhof Köpenick räumte. Baba forderte eine "gründliche Analyse der gesamten Vorgänge am 1. Mai".

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5 Kommentare

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  • FF
    Frank F.

    Natürlich stellt die Polizei ein Sicherheitsrisiko dar - jedenfalls solange sie selber mit Steinen werfen.

     

    "Auch Bundespolizist unter Randalierern am 1.Mai"

    http://www.ad-hoc-news.de/morgenpost-online-auch-bundespolizist-unter--/de/Politik/20216724

     

    Das ist nicht das erste mal, dass bei Demos zivile Beamte zu Gewalttaten aufrufen.

     

    Warum? Weil gewalttätige Ausschreitungen auch was positives haben - jedenfalls wenn man ne härter Gangart durchboxen möchte.

  • M
    max

    Danke für Ihren Kommentar Herrr Matteuzzi. Es ist immer wieder wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, das sowas von sowas kommt und nicht, daher, dass ein paar hundert Jugendliche spontan "entmenscht" und zu Bestien mutiert sind.

  • MM
    Mario Matteuzzi

    Journalisten und Politiker scheinen in einer anderen Welt zu leben als Jugendliche, Marginalisierte und MigrantInnen. Was sich wie immer am 1. Mai entladen hat war der Hass auf die Polizei. Und dieser Hass ist sowohl verständlich als auch berechtigt. Wer so tut als sei dies nicht der Fall, verweigert sich der Problemlösung und sorgt dafür, dass die Krawalle an Intensität weiter zunehmen.

    Die meisten Polizisten sind Rassisten und leben das angesichts ihrer weitgehenden Straflosigkeit auch völlig aus. Wie hoch ist der Prozentsatz wegen Übergriffen verurteilter Polizisten? Er liegt in Deutschland bei unter 2 Prozent. Jeder der schon einmal von der Polizei grundlos verprügelt wurde, weiß genau, wie dann beim Verfahren plötzlich ein halbes Dutzend Polizeizeugen auftauchen. Ich bin selbst als Journalist beim 1. Mai in der Vergangenheit zwei Mal von der Polizei zusammengeschlagen worden, und zwar nach Vorlage des Presseausweises und mit den Worten "Hier Du Presseschwein". Als die Dienstnummer verlangt wurde, wurden die Schläger von ihren Kollegen in Schutz gebracht und mir wurde gedroht ich könnte gleich noch einmal das selbe erleben, wenn ich mich nicht verziehen würde.

    Wenn ich in Berlin beim Autofahren von der Polizei angehalten werden, bekomme ich in 7 von 10 Fällen mit wie entweder mit gegenüber oder unter den Beamten aufgrund des ausländischen Namens rassistische Sprüche fallen.

    In Kreuzberg oder Neukölln benimmt sich die Polizei im Alltag wie eine Besatzungsarmee. Sie fährt durch die Straßen und gibt Radfahrern, Autofahrern und sogar Fußgängern "Anweisungen" im ruppigen Ton über die Lautsprecheranlage ihrer Fahrzeuge. Während jede Ansammlung von migrantischen Jugendlichen über 5 Personen in einer Seitenstraße meist nicht lange warten muss, bevor sie von Zivilpolizisten kontrolliert wird.

    Am 28. März hat die Polizei die völlig friedliche Demonstration in Berlin gegen die Krise brutal angegriffen. Bei der Verteidigung gegen die Schlägereinheiten waren auch Dutzende von Gewerkschaftkollegen aktiv, von denen einige nach eigenen Aussagen nicht mehr ohne Holzlatten auf eine Demonstration gehen wollen.

    Am 1. Mai hat die Polizei in Köpenick völlig brutal eine absolut friedliche Sitzblockade aufgelöst und die Demonstranten regelrecht verprügelt, gewürgt und an den Haaren gezogen. Erwarten sie dafür wenige Stunden später noch Beifall oder ist es nicht vielmehr verständlich wenn sie von einem Steinhagel empfangen werden?

    Die allgemeine Erfahrung von Jugendlichen mit der Polizei im Umland von Berlin ist, dass die Polizei in der Regel Veranstaltungen von Neonazis schützt und Antifaschisten verprügelt. Viele der Einsatzbeamten hegen offene Sympathien mit den Faschisten und machen das während der Einsätze deutlich, z.T. durch das Tragen von faschistischen Kleidungsfirmen (wäre sonst ein Verbot solcher Kleidung für Polizisten notwendig gewesen? Ist es nicht absurd, wenn faschistisch gesinnten Polizisten die Kleidung im Dienst verboten wird, anstatt sie aus dem Dienst zu entfernen?) Die Jugendlichen werden also entweder

    von Nazis angegriffen oder von der Polizei, wenn sie gegen Nazis demonstrieren. Wen wundert es, wenn sie die Polizei angreifen, wenn sich die Gegelegenheit bietet?

    Die dierekte Gewalt gegen die Polizei hat an diesem 1. Mai stark zugenommen, weil die direkten Erfahrungen mit der Polizei in den vergangenen 12 Monaten zugenommen haben. Und sie wird weiter zunehmen so lange Politik, Polizei und Presse die Lebenswirklichkeit und Erfahrungen von Jugendlichen, MigrantInnen und Protestierern ignorieren.

  • A
    Antifa

    Wer hier nach verboten etc. schreit sollte sich mal an den ersten Mai 2001 zurückerinnern. Damals wurde, unter CDU Führung, die revolutionäre erste Mai Demo verboten- Entresultat war der militanteste erste Mai seit 87....

  • N
    N.N.

    Ich schlage vor, der CDU das Innenressort anzubieten, damit sie zeigen kann,ob sie es besser hinbekommt. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit sprechen zwar dagegen, aber immerhin wären sie dann am 02.05.2010 etwas besonnener und ruhiger, gell?