1. Mai: Neukölln bekommt Maifestspiele
Die traditionelle 18-Uhr-Demo findet nicht in Kreuzberg statt, sondern im Nachbarkiez. Bewusst soll das Myfest gemieden werden. Die Szene erhofft sich so eine Repolitisierung ihres Großaufzugs.
Die traditionelle "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" wird in diesem Jahr Kreuzberg verlassen. Zwar ist der Beginn wie eh und je um 18 Uhr am Kottbusser Tor geplant. Von dort aber soll der Aufzug nach Neukölln führen und auch dort enden - wahrscheinlich am Südstern an der Grenze zwischen beiden Bezirken. Die Demo, bei oder nach der es meist zu Krawallen gekommen ist, soll in der kommenden Woche angemeldet werden.
Mit dem Kurswechsel erhofft sich die linke Szene eine Repolitisierung ihres Großaufzugs. "Heraus zum Revolutionären 1. Mai - Für die soziale Revolution weltweit", lautet diesmal das Motto. Inhaltlich sollen Gentrifizierungsprozesse in Berlin Schwerpunkt sein. "Gerade in Neukölln steigt die Verdrängung der ärmeren Bevölkerung durch rapide Wohnraumaufwertung", sagt Andreas Klein von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). Die Gruppe will sich an der Demo mit einem eigenen Block "Nehmen wir uns die Stadt!" beteiligen. "Gleichzeitig gehen wir nach Neukölln, weil dort viele Opfer der Sozialrassismus-Hetze à la Sarrazin leben."
Keine Krawalltouristen
Mit dem neuen Endpunkt soll das Myfest rund um die Oranienstraße gemieden werden. "In unseren Augen ist das eine zunehmend unpolitische Veranstaltung", so Klein. Zudem habe die Nähe der Demo zum Fest eine "gewisse Klientel an Alkohol- und Krawalltouristen angezogen, die wir nicht mehr wollen". Ziel sei es, stärker Basisorganisationen, etwa Stadtteilinitiativen, einzubinden. "Wir wollen die ganze Bandbreite des linken Spektrums dabeihaben", sagt Klein.
Schon am Vorabend des 1. Mai findet eine Demo statt. Ab 16.30 Uhr wollen Jugendantifa-Gruppen vom Rosenthaler Platz in Mitte aus ebenfalls gegen Gentrifizierung protestieren. Danach soll es zur "antikapitalistischen Walpurgnisnacht" auf dem Boxhagener Platz gehen.
Parallel laufen die Vorbereitungen für das Myfest auf Hochtouren. Noch bis zum morgigen Donnerstag können sich Anwohner und Gewerbetreibende für einen der 140 Stände auf dem Fest bewerben. "Die Resonanz ist enorm", heißt es aus dem Bezirksordnungsamt. Auch diesmal gilt: kein Verkauf von Flaschen und Dosen. Alkohol wird es nur an den 14 Bühnen geben.
Nach einem krawalligen 1. Mai 2009 verlief der Tag im letzten Jahr friedlich wie lange nicht. In diesem Jahr ist der Ausgang ungewiss. Der Räumung des Hausprojekts Liebig 14 im Februar folgten Ausschreitungen von Autonomen. Zu einem Brandanschlag am Donnerstag auf einen Kleintransporter vor der Polizeiwache in der Kniprodestraße in Prenzlauer Berg heißt es in einem Bekennerschreiben: "Als Prognose versprechen wir allen ReisechaotInnen und Katastrophenfotografen - Berlin ist am 1. Mai eine Reise wert."
Neonazis scheinen die Hauptstadt am 1. Mai zu meiden. Die NPD mobilisiert nach Bremen, Kameradschaftler wollen in Halle marschieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass