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1. Mai in BerlinLetzter Ausweg Verbot

Die Polizeigewerkschaft will ein Demonstrationsverbot, wenn nicht genügend Einsatzkräfte bereitstehen. In der Politik gibt es dafür keine Mehrheit.

So geordnet geht es am 1. Mai nicht immer zu Bild: dpa

BERLIN taz | Für den 1. Mai gibt es die erste Forderung nach einem Verbot einzelner Demonstrationen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, sprach sich für Verbote als "Ultima Ratio" aus, wenn die Berliner Polizei nicht ausreichend Unterstützung aus anderen Bundesländern erhalte. "Gerade bei den Veranstaltungen, wo Rechts und Links aufeinandertreffen, sind unheimlich viele Polizeikräfte notwendig, um beide Seiten auseinanderzuhalten", sagte Schönberg.

Hintergrund ist, dass sich der Gewerkschaft zufolge in diesem Jahr eine geringere Bereitschaft aus anderen Bundesländern abzeichnet, zur Verstärkung Polizisten nach Berlin zu senden. Waren im vergangenen Jahr noch insgesamt 6.000 im Umgang mit Ausschreitungen geschulte Polizisten im Einsatz, ist unklar, ob die Zahl für dieses Jahr gehalten wird.

Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ist insbesondere die Unterstützung großer Bundesländer wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen, die in der Vergangenheit viele Polizisten zur Verfügung gestellt hätten, unklar. Andere, wie Mecklenburg-Vorpommern, hätten bereits abgesagt, da die Beamten selbst bei Demonstrationen oder Fußballspielen benötigt würden. Die Berliner Polizei äußerte sich am Freitag nicht zum Stand der Zu- und Absagen.

Bild: ap

Verfolgen Sie die Berliner Walpurgisnacht am 30. April und die Demonstrationen in Berlin und anderen großen deutschen Städten am 1. Mai im Live-Ticker auf taz.de

Laut dem GdP-Vorsitzenden Schönberg kann Berlin selbst höchstens 2.000 Polizisten aus Einsatzhundertschaften stellen. Doch diese seien zum Teil auch schon in der Nacht zum 1. Mai im Dienst - und müssten schließlich zwischendurch pausieren. Schönberg beruft sich daher auf den "polizeilichen Notstand", der es ermögliche, Grundrechte wie die Demonstrationsfreiheit einzuschränken, wenn die Polizei personell nicht in der Lage ist, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Er betonte allerdings, dass ein Verbot ein "politischer Offenbarungseid" sei und nur sinnvoll sei, wenn es auch eingehalten werde. In Berlin seien derzeit drei rechtsextreme und ein gutes Dutzend linke Demonstrationen angemeldet.

Aus der Politik kommen kritische Stimmen zu einem eventuellen Verbot. So spricht sich Andreas Gram, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion, dafür aus, zunächst mildere Mittel einzusetzen, wie verschärfte Auflagen oder Aufenthaltsverbote für bekannte Straftäter. "Auch die Demonstrationsanmelder müssen aufpassen, dass die Sache nicht aus dem Ruder läuft, und nicht immer nur die Polizei", fordert Gram.

Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, befürchtet, dass Schönbergs Vorschlag "die Situation nur unnötig anstachelt". Anstelle laut über Verbote nachzudenken, sollten besser zügig Kooperationsgespräche mit den Anmeldern der Versammlungen geführt werden. Lux berichtet von einer Demonstration, die seit Februar angemeldet sei und bei der immer noch kein Gespräch zwischen Polizei und Anmelder stattgefunden habe. Darüber hinaus sieht er die GdP selbst in der Pflicht. "Die Gewerkschaft sollte dafür werben, dass Kollegen nach Berlin kommen, da klar ist, dass Unterstützung gebraucht wird."

Die Senatsverwaltung für Inneres dementierte am Freitag, dass es überhaupt zu einer Unterbesetzung der Polizei kommen könnte. "Es gibt kein Signal, dass es nicht so viel Unterstützung gibt wie im vergangenen Jahr", sagte Nicola Rothermel, Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Der Stand der Zusagen sei für den Zeitpunkt normal, schließlich müssten die anderen Bundesländer erst die eigene Lage klären. Abgesehen davon sei ein Demonstrationsverbot "keine Alternative, über die wir nachdenken".

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18 Kommentare

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  • F
    Frank

    Regelmäßig werden Demonstrationen verboten wegen "zu erwartender Gewalt und nicht garantierter Sicherheit etc."

     

    Warum nicht auch am 1. Mai? Wegen der klammheimlichen Komplizenschaft und geistigen Verwandschaft der Regierung?

  • T
    Tommy

    Stellt die kritisierenden, weltfremden Politiker doch mal in die erste Reihe, damit sie die Polizisten schützen können, denen jedes Jahr auf`s neue die Steine der ach so friedlichen "Demonstranten?" um die Ohren fliegen. Vielleicht landen sie dann endlich mal wieder auf dem Boden der Realitäten.

  • R
    reitmeier

    Warum eigentlich immer nur am 1.Mai?die politische Situation in Deutschland erfordert eigentlich tägliche Empörung.Das zeigt den unpolitischen Charakter dieser "Krawalle".Nichts weiter als Hooligantum.Diese Leute wollen nur spaß haben,sind aber weder links noch rechts.Affig.

  • T
    trullifox

    Es wäre schön, wenn man weniger Polizei bräuchte. Die letzten Jahre haben jedoch leider belegt, dass es immer wieder Störenfriede und Randalierer gibt, die einen friedlichen Charakter verunmöglichen. Dies aus wirren politischen Ecken oder von Abenteurern, die ausser Randale nix am Hut haben. Insofern muss - leider - auch ein entsprechendes Polizeiaufgebot her. Die Beamten würden sich, wie ich weiß, auch etwas anderes wünschen, als irgendwelche Spinner und aggressive Weltverbessserer in die Schranken zu weisen. Und letztlich ist jahrelang festzustellen gewesen, dass nicht eine einzige Provokation von der Polizei ausging. Warum auch ? Je mehr Ärger, desto später Feierabend.

  • M
    Mangelverwalter

    Es ist immer wieder überraschend zu lesen, was in offensichtlich völlig schlecht unterrichteten Kreisen für "gequirlter Mist" produziert wird.

     

    Einige scheinen zu glauben, dass sie sich mit völlig unqualifiziertem Geschwafel hier groß hervortun müssten...

     

    Wer sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt, wird z.B. folgende Fakten nicht leugnen können:

     

    1. Berlin ist finanziell schwerst gebeutelt

    2. Die Störer solcher Veranstaltungen befinden sich im deutlichen Schwerpunkt auf einer politischen Seite

    3. Wären die Einsatzkräfte nicht geschult, hätte es schon längst für die Störer so laut geknallt, dass sie sich im nächsten Jahr "frei nähmen", statt wieder aufzulaufen und zu randalieren

    4. Ohne die Ordnungskräfte gäbe es für die "problematischen Chaoten" kein Halten, im Ergebnis kämen wir zu Pariser Zuständen, allerdings ohne, dass die Polizei mit massiven Maßnahmen -wie z.B. Gummigeschossen- dagegen vorginge.

     

    Diese Aufzählung könnte noch um etliche Punkte ergänzt werden...

  • I
    IMakeze

    Vielleicht sollte die Polizei ihre Humanressourcen fressenden Taktiken überdenken. Um eine ganze Großdemo einzukesseln braucht man halt viele Stormtrooper. Wird ja auch sonstwo nicht gemacht.

  • F
    Franzi

    Warum brauchen wir am 1.Mai so viel Polizei? Welche Gruppen dafür verantwortlich sind, ist jedem der mit eigenen Augen klar sehen kann, wohl geläufig.

  • AE
    Alexander Eichholtz

    Wie schön, dass unterbezahlte Polizisten und im Anschluß unterbezahlte Ärzte und Krankenschwestern in den Rettungsstellen die Revolution ausbaden dürfen. Ich fänd es schön, wenn alle einfach zu Hause bleiben würden, die Irren machen lassen, aber bitte im Rotweingürtel von Berlin, dann wollen wir doch mal sehen, wie das so ankommt bei den guten Menschen und ach so von Polizeigewalt unterdrückten Nichtadoleszenten. Noch schöner wäre es, wenn die Führerstaatbekloppten und die revolutionären Kids ihren Disput in den jeweiligen Hauptquartieren austragen würden, dann wäre, mangels Masse, in den nächsten Jahren wenigstens Ruhe im Karton.

  • A
    Anwohner

    Im Endeffekt bleibt's dann eh wieder relativ ruhig am 1. Mai und die ganze Aufregung im Vorfeld war wieder mal umsonst - bis auf die erhöhte Auflage der Lokalpresse natürlich.

  • H
    HansWurscht

    Mal davon abgesehen das ein Verbot völlig inakzeptabel ist, ist doch in letzter Zeit gehäuft festzustellen das ich meinem Vorredner Recht geben muss.

     

    Die TAZ könnte ihr Niveau völlig Problemlos wieder heben, wäre schön wenn sie dies auch tun würde!

  • G
    Greenspam

    "Waren im vergangenen Jahr noch insgesamt 6.000 im Umgang mit Ausschreitungen geschulte Polizisten im Einsatz, ist unklar, ob die Zahl für dieses Jahr gehalten wird."

     

    Sagen sie mal; hackt's da bei ihnen im Oberstübel?

     

    Ein Problem bei den ständigen Auseinanderstzungen ist eben, dass ein Großteil der 'Ordnungskräfte' eben nicht geschult ist, sondern den Eindruck eines panischen Tieres vermittelt, welches unter Druck erst einmal zubeißt.

     

    In Berlin kommt es immer wieder zu Ausfällen der Polizei, aufgrund von psychischer Überbelastung und dem Antrainieren von Aggression in den Polizei-Kasernen. Ob man dieses Verhalten 'geschult' nennen kann ist mehr als fraglich....

     

    Die taz sollte eventuell ihre Schreibweise überdenken; sie nähert sich bedenklich der der FAZ und Süddeutschen!

  • V
    verbots-verbieter

    So ein Schwachsinn - das letzte Verbot von Mai-Demonstrationen hat 2001 rein gar nichts zur beruhigung der Lage beigetragen.

  • TS
    Thomas Sch.

    Vielleicht sollte man mal folgendes testen: Überhaupt keine Polizei hinschicken, denn die Veranstalter behaupten ja unisono, daß es die Polzei sei, die durch unqualifiziertes Verhalten Gewalt ursächlich produziere. Sofern dann doch die zu erwartenden Horden brandschatzend durch die Straßen werden gezogen sein, wäre das Argument der Veranstalter sozusagen verpufft und man könnte im nachfolgenden Jahr dann - wie in anderen demokratischen Ländern auch - ganz normal gegen jeden Gewalttäter vorgehen.

  • M
    MAS

    Ja, die GdP outet sich - als Feind der Verfassung!

  • V
    vic

    "Einschränkung der Grundrechte". Das würde euch so passen.

    Dem folgt die willkürliche Aberkennung derselben und schließlich der Ausnahmezustand.

    Wir sind ganz nah dran.

  • PB
    Paul Bunker

    Es gibt eine Fürsorgepflicht die der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer hat. Und das ist bei Polizei-Beamten nicht anders.

     

    Beamte dürfen nicht streiken, aber wenn der Arbeitgeber seine Fürsorge vernachlässigt, darf der Arbeitnehmer die Arbeit verweigern.

     

    Ich würde da nicht hingehen!

  • A
    Andreas

    Es ist offenbar eine Überlegung wert, ob man sein altes Auto, aber bitte mit richtiger und gültiger Plakette, in Kreuzberg Ende Mai für die Gutmenschen und die so sozial Ausgegrenzten (und natürlich mehrheitlich arbeitswilligen Freundinnen und Freunde) platziert.

  • D
    Daniel

    Ein ganzer Artikel für den Satz "Die Polizeigewerkschaft will..."

    Nach drei Worten ist eigentlich schon klar, worauf es hinausläuft.

    Die Polizeigewerkschaft macht mal wieder ein bescheuerten Vorschlag, alle finden ihn doof und nix passiert.

    Warum findet das überhaupt Erwähnung?