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1. FC Nürnberg - VfL WolfsburgEin Sieg dank Schweizer Franken

Der Nürnberger 3:2-Erfolg in Wolfsburg offenbart die Probleme des Meisters mit dem Ballbesitzfußball.

"Man kann über dieses Spiel wahrscheinlich noch tagelang reden und wird nicht zur Weisheit letzter Schluss kommen." Bild: dpa

Wie kam es, dass der 1. FC Nürnberg ein in mancherlei Hinsicht außergewöhnliches Bundesligaspiel beim Deutschen Meister VfL Wolfsburg mit 3:2 gewann? Tja, sagte Club-Trainer Michael Oenning: "Man kann über dieses Spiel wahrscheinlich noch tagelang reden und wird nicht zur Weisheit letzter Schluss kommen." Genauso ist es. Und insofern war es am Spieltag nach dem Freitod von Robert Enke und trotz des just bekannt gewordenen Fußballwettbetrugs eine furiose Rückkehr in die vielerorts beschworene "Normalität". Ein Spiel voller Fragen wie: War das 1:1 abseits? (Nein.) Hätte es nicht Rot geben müssen gegen die Clubberer Wolf und Schäfer? (Es hätte.) Was führte dazu, dass dieses Spiel so ungewöhnlich viele Chancen auf beiden Seiten erlebte? Und warum wurden die meisten vergeben? (Weiß keiner.) Warum bremst Ashkan Dejagah den Nürnberger nicht, um das 2:3 zu verhindern? (Dazu kommen wir gleich.)

Es war in der dritten Minute der Nachspielzeit der emotionale Höhe- bzw. Tiefpunkt (je nach Clubpräferenz) des Spiels. Die Wolfsburger alle nach vorn rennend, um eine letzte Ecke doch noch zum Siegtreffer zu nutzen, ihr Trainer Armin Veh seit einer geschlagenen Viertelstunde am Spielfeldrand gestikulierend, um zumindest einen zweiten Mann zur Absicherung zu bewegen, die Clubberer mit dem abgewehrten Ball ausschwärmend, Dejagah eher poetisch am Trikot des ballführenden Diekmeier zupfend und die Nürnberger das Vier-gegen-eins souverän ausspielend bis zu Kluges Siegtreffer (90.+3) und dem unmittelbar danach ertönenden Schlusspfiff.

In der echten Welt beschäftigt man sich ja gerade mit einer idealisierten Welt des Fairplays. Darin wäre es richtig von Dejagah, den Sport- und Berufskollegen Diekmeier nicht mit unerlaubten Mitteln zu bremsen. In der echten Welt des Fußballs indes wollte Dejagah foulen (und sah dafür auch Gelb), nur gelang es ihm nicht richtig. Grundsätzlich betrachtet, lag es selbstverständlich nicht am eingewechselten Dejagah, der das 1:1 (59.) erzielte und vor Grafites Strafstoß zum 2:2 (79.) gefoult worden war.

VfL-Trainer Armin Vehs Umbau des Flugball-Fußballs seines Vorgängers Felix Magath in Ballbesitzfußball ist längst nicht abgeschlossen. Noch fehlt die Sicherheit beim Kombinieren. Der Club legte eine große Baustelle offen: die Schwierigkeit, nach den Ballverlusten verlässlich umzuschalten. Es verstärkte sich, nachdem Veh seinen Kapitän Josue wegen der Gefahr eines Platzverweises (72.) ausgewechselt hatte. "Wir wussten, dass Wolfsburg nach vorn lebensgefährlich ist, aber der Umkehrschluss daraus lautet, dass man nach hinten nicht so gern arbeitet. Und darauf zielte die Strategie", sagte Oenning. Ob sie es nicht gern tun im VfL-Mittelfeld, ist hier nicht zu beurteilen, jedenfalls taten sie es nicht gut.

Es war der erste Auswärtssieg für den Aufsteiger Nürnberg, der das als Belohnung für engagierten und mutigen Kombinationsfußball interpretierte. Der Schweizer Nationalspieler Albert Bunjaku war "in der Halbzeit etwas verzweifelt" gewesen, ob der vergebenen Chancen. Sein Trainer Oenning habe dann gesagt: "Dranbleiben, heute ist hier was zu holen." Und so ging er raus und schoss zwei Tore (56. und 64. nach Flanke von Landsmann Daniel Gygax), was Bunjaku mit nunmehr sechs Saisontoren zumindest bis auf weiteres dazu berechtigt, die Berufsbezeichnung "Torjäger" zu führen.

Wolfsburg fliegt morgen Früh zum Champions-League-Spiel bei ZSKA Moskau am Mittwoch. Ein Remis genügt zur Qualifikation fürs Achtelfinale. Es wäre ein Meilenstein der Klubgeschichte. Ein russischer Journalist fragte Veh: "Wollen Sie mit einer solchen Abwehr in Moskau auf Unentschieden spielen?" Gute Frage. Allerdings stellte sie sich auch vor dem letzten Spiel in Istanbul - das man dann 3:0 gewann. Insofern antwortete Veh - angesichts seines erkennbaren Ärgers auf sein das Coaching ignorierende Team - überraschend ruhig: "Auswärts stehen wir besser." Das stimmt: Das Defensivproblem tritt vor allem in Heimspielen auf, in denen Veh bewusst Risiken eingeht, um viele Chancen erspielen zu können. Er glaubt, dass auf Dauer die Mannschaften erfolgreich sind, die mehr Chancen herausspielen.

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