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1. Ebene - Hauptbahnhof-betr.: Meinung

Betr.: Meinung

Ich bin seit kurzem ein Leser Ihrer Zeitung, weil mir die Art und Weise, mit der die Zeitung Sachverhalte und Mißstände aufgreift und veröffentlicht, gefällt. Außerdem hält sich der Preis in Grenzen. Ich möchte mit meinem Brief einen Beitrag gegen die Ausländerfeindlichkeit leisten. Ich bin Elektromonteur bei der Deutschen Reichsbahn und habe somit von Berufs wegen täglich auf dem vor zwei Jahren teilweise fertiggestelllten Hauptbahnhof zu tun. Das Hauptaugenmerk meines Briefes richtet sich gegen die dort kampierenden polnischen Staatsbürger (nachstehend Polen genannt). Voranstellen möchte ich, daß ich nichts gegen sie habe. Aber ihr Verhalten dort provoziert eine geradezu abneigende Haltung eines jeden, der dort vorüber geht. Und diese mündet, ich bemerke auch schon Ansätze bei mir, in einen Ausbruch von Haß. Aber im gleichen Moment sage ich mir, daß sich so nicht alle Polen verhalten. Dort, speziell in der ersten Ebene (Gepäckautomaten) wird auf Bänken geschlafen, es wird Alkohol in rauhen Mengen konsumiert, und obendrein wird jeder Passant gemustert, ob er auch eine devisentauschkkräftige Erscheinung ist. Da werden Iso-Matten ausgebreitet, auf denen geschlafen wird, neue gekaufte Schuhe werden sofort angezogen, die Kartons und die alten Schuhe warten auf die Reinigungskräfte. Die Gepäckautomaten werden belagert. Sollte sich mal ein Reisender seinem gemieteten Automaten nähern, sei es, um etwas zu hinterlegen, wird er gleich von einer Gruppe Polen begleitet, die wie die Geier darauf warten, ob der Automat frei wird. Der absolute Höhepunkt ist der, daß jetzt schon die Mitarbeiter der MITROPA mit Plasteeimern ihren Tassen hinterherlaufen. Die Polen haben die Angewohnheit, sich eine Tasse Kaffee zu kaufen und diese dann quer durch die erste Ebene zu tragen. Dort bleibt sie natürlich stehen. Warum sollte man auch eine leere Tasse zurückbringen? Außerdem hat die Reinigungsbrigade alle Hände voll zu tun, die Folgen von übermäßigem Alkoholgenuß und auch sonstige Reste zu beseitigen. Die Abfallbehälter stehen, für jeden sichtbar, nicht mehr als zehn Meter voneinander entfernt. Da wundert man sich bei diesem Verhalten über verstärkte Ausländerfeindlichkeit? Gewiß, diese Polen verkörpern eine Minderheit. Aber ich bin der Meinung, daß sich alle Ausländer um ein gewisses Niveau in ihrem Verhalten bemühen sollten. Der Hauptbahnhof ist ein internationaler Verkehrsknoten. Ich finde, er sollte auch als ein solcher genutzt werden. In diesem Zusammenhang könnte die Transportpolizei mehr Engagement zeigen. Durch Zurückhaltung fördert man noch den geschilderten Sachverhalt. Speziell die erste Ebene lädt zum Verweilen ein. Man kann auch ein bißchen schopping gehen oder in Ruhe einen Kaffee trinken. Aber ufert alles in meinen geschilderten Sachverhalt aus, so stößt es bei mir und bei anderen auf Kritik und Mißbilligung.

Olaf Spieß

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