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Nichts fürchtet der Deutsche mehr . . .. . . als ein verändertes Weltbild?

betr.: „Senk you und bye bye“ von Ashwin Raman, taz vom 21. 10. 00

Einen eklatanten Widerspruch hat Ashwin Raman leider nicht ausgelotet: Die Vorliebe der Deutschen für Amerikanisches, besonders die Ostdeutschen haben schon zu DDR-Zeiten ihren Kindern hauptsächlich amerikanische Namen verpasst, ist äußerst widersprüchlich.

Das Vorbild USA ist doch gerade ein Land, in dem der Schmelztiegel (melting pot) von einer Multikulturalität abgelöst wird, die von Soziologen mit einer Salatschüssel (salad bowl) verglichen wird, in dem die einzelnen Bestandteile sich erhalten und nicht in einem Ganzen aufgehen. Hiesige US-Fans lehnen Vergleichbares für deutsche Verhältnisse häufig ab.

Auch sonst entspricht die Realität meist nicht der Vorstellung von ihr. Dies ist angesichts der mangelnden Kenntnisse der amerikanischen Sprache hierzulande auch nicht weiter verwunderlich. [...] Warum sie dennoch immer mehr verwendet werden, ist eher mit dem Reiz des Exotischen zu erklären, als durch die wirkliche Durchdringung der deutschen Sprache mit Wörtern aus der Neuen Welt.

Selbst Ashwin Raman unterläuft bei seiner (etwas oberflächlich bleibenden) Kritik ein bedenklicher syntaktischer Fehler, dem sich entsprechend eine semantische Fehlinterpretation anschließt. „Blood & Honour“ ordnet er den USA zu, obwohl die Schreibweise von Honour (mit „u“) schon auf England hindeutet. Dort ist dieser Nazi-Skinhaufen auch im Umfeld der terroristischen Politgruppe „Combat 18“ entstanden. Ein „mobile phone“ ist im Übrigen nicht unbedingt ein „cellular phone“, umgekehrt gilt die Beziehung aber sehr wohl. GÜNTER LANGER, Berlin

Die Mehrheit der Deutschen möchte keine multikulturelle Gesellschaft. Schon gar nicht will man von den Kulturen der potenziellen Einwanderer aus Asien und Afrika wissen, meint Ashwin Raman. Dem ersten Satz kann ich uneingeschränkt zustimmen. Dem zweiten jedoch nicht so ganz.

Als Flame, also aus Nord-Belgien stammend, stelle ich immer wieder fest, dass viele Deutsche weit mehr über Asien und Afrika wissen als über die Niederlande, Belgien, Frankreich oder Spanien. Sie interessieren sich durchaus weit häufiger für asiatische und afrikanische Kultur als für die Kultur der unmittelbaren Nachbarländer. [...] Und für die westeuropäische Architektur, Theaterkultur oder Musik wird man hierzulande weit weniger Interesse wecken können als für die entsprechenden Kulturereignisse Nepals.

Ist auch klar: Die Kultur, das Leben, die Politik weit entlegener Länder kann man als Kuriosum betrachten. Man kann es sich anschauen, ohne sich wirklich innerlich damit in der Weise auseinanderzusetzen, dass es eine konkrete Auswirkung auf das eigene Leben hätte. Es hat den großen Vorteil, dass wir damit nicht wirklich etwas zu tun haben. Aber sich ernsthaft mit der Kultur, mit dem gesellschaftlichen Leben und der Politik unserer Nachbarländer zu befassen, dafür müsste man wirklich anfangen, grenzüberschreitend zu denken. Und das ist für den durchschnittlichen Deutschen doch wohl etwas zu viel verlangt. Denn nichts fürchtet der Deutsche mehr, als die Relativierung oder am Ende gar Veränderung seines Weltbildes. LEO LAUWERS, Fränkisch-Crumbach

Multikulturalismus ist schwierig, dauert lange und ist unter dauernder Attacke. Aber es scheint sich zu lohnen.

Ich lebe in Kanada, das trotz zweier Jahrzehnte offiziellen Multikulturalismus immer noch ein rassistisches Land ist. Im Nordwesten richten sich Hass und Angst vor allem gegen die Indianer. Bloß: unter offiziellem Multikulturalismus können sich Minderheiten viel besser verteidigen und ihren Platz und ihre Rechte einfordern. Und man bringt hier keine Andersfarbigen um.

In Deutschland wird es lange dauern, die tiefsitzende Fremdenfeindlichkeit aufzulockern. Die Einführung einer neuen dominanten Kultur, der amerikanischen, wird die Angst vor den anderen nur woanders hin richten. Aber eine offizielle Politik, die Deutschland ein Einwanderungsland nennt und gerechte Einwanderungsbestimmungen setzt, würde sicher weiterhelfen. Im Unterschied zu den USA, die sich als Schmelztiegel bezeichnen, aber weiß dominiert sind, hat der Multikulturalismus und das resultierende kulturelle Mosaik in Kanada zu einer etwas weniger gewalttätigen Gesellschaft geführt. Es überrascht nicht, dass eines der Hauptziele der Rechten hier ist, ihn wieder abzuschaffen.

CHRISTOPH DIETZFELBINGER, Smithers, B.C., Kanada

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