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■ Kanzler Schröder hat das „Bafög für alle“ gekipptRolle rückwärts

Es sah zunächst so aus, als wäre Gerhard Schröder bei seinen Äußerungen zum Bafög nur ein Lapsus unterlaufen. Ein Versprecher gewissermaßen, mit dem der Kanzler die ewig undurchschaubare Ausbildungsförderung nur für einen Moment nicht ausreichend überblickt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Wie der Elefant im Porzellanladen hat Schröder das mühsam aufgebaute Gerüst einer staatlichen Förderung für Lernen und Qualifizieren eingerissen.

Vier Jahre lang haben Studentenwerke, Kultus- und Finanzminister an einem neuen Bafög gebaut, damit darin endlich wieder mehr als 14 Prozent der Studierenden zu Hause sein können, damit sie studieren können, ohne zu jobben. Und dann kam ausgerechnet der Kanzler, der Zögling armer Eltern, der ohne Stipendium kein Abitur, kein Studium und auch kein Kanzerlamt erreicht hätte, und hat das „Bafög für alle“ zunichte gemacht.

Der Fauxpas ist in erster Linie der Bildungsministerin zuzuschreiben. Edelgard Bulmahn konnte sich ein Jahr lang nicht entscheiden, ob sie das Bafög nun gänzlich neu konstruieren und somit ausbauen solle – oder ob sie, wie die Minimalisten von CDU/FDP vor ihr, im Tippelschritt die so genannten Elternfreibeträge erhöhen wolle. Dabei war sie sich nicht zu schade, allzeit die Floskel der Chancengleichheit im Munde zu führen, für die sie angeblich eintritt. Keine Sekunde zauderte die Selbstverleugnerin jetzt allerdings, das Nein des Kanzlers zu ihrer eigenen Position zu machen.

In der Sache ist die bisherige rot-grüne Bildungspolitik nichts anderes als eine Rückwärtsrolle gewesen. Studiengebühren sollten untersagt werden – inzwischen ist man auch in SPD-Planungsstäben froh, wenigstens die erste Phase eines ersten Studiums gebührenfrei halten zu können. Mit einem neuen Bafög sollte der für sozial schwache Schichten dramatisch verengte Bildungszugang wieder verbreitert werden – dafür stehen heute nur noch die Jusos. Das Wort für die SPD führt inzwischen nicht mehr der Nachwuchs, sondern Wolfgang Clement. Der NRW-Ministerpräsident setzt, wie einst Willy Brandt, voll auf Bildungschancen. Aber anders als der große Charismatiker der SPD weiß Clement, dass Wissen nicht mehr umsonst zu haben ist. Lernen wird ein Markt, und der erste Schritt dazu ist der: Die Studierenden müssen zum Teil, die Weiterbildner voll für Qualifikation bezahlen. Ein „Bafög für alle“ wäre da anachronistisch. Dem Bafög von der Privatbank hingegen gehört die Zukunft. Christian Füller

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