■ Der Artikel suggeriert: Es kann nichts Rechtes sein, was linke Systemkritiker so treiben: Die taz im Aktienfieber?
betr.: „Der letzte Aktienfeind“ (Henry Mathews), taz vom 27. 4. 00
[...] 1. Die Autorin schlägt genau den Ton arroganter Besserwisserei an, den sie ihrem Porträtierten unterstellt: Sie scheint genau zu wissen, wie es so läuft im Kapitalismus des „Aktienfiebers“ und dass es vor allem keinesfalls so sein darf, wie es Mathews sieht. Solche Behauptungen ziehen sich kaum belegt oder als bewusste Missinterpretationen von Mathews' Aussagen in ermüdender Redundanz durch den gesamten Artikel. Beispiel: Mathews hat nicht behauptet, dass einzig und allein die Konzerne in der heutigen Ökonomie/Politik die Macht besäßen; und einen Gegenbeweis zur Machtfülle von Aktiengesellschaften liefert die Autorin nicht.
2. Über konkretere Inhalte und Formen von Mathews Arbeit erfahren die Lesenden nichts Substanzielles, wohl weil – siehe oben – von der Journalistin dekretiert wurde, dass das nichts Rechtes sein kann, was linke Systemkritiker so treiben.
3. Reale Folgen von Konzernpolitik, beispielsweise die kurz erwähnten Schädigungen von Personen durch Chemikalienexporte und -produktion, scheinen der Autorin am Hintern vorbeizugehen, vielleicht als vermeintliches moralistisches Hirngespinst eines „Linken“? Zwar sind jene nicht Thema des Porträts, aber nicht einmal als Motiv zur Erklärung des zur Rede stehenden moralisch-apodiktischen Duktus von Mathews werden sie erwogen.
4. Für ein ganzseitiges Porträt ist es journalistisch armselig, als einzige Botschaft zu transportieren, dass frau die porträtierte Person und ihre Handlungen schlichtweg nicht leiden kann. [...]
THOMAS POTTHAST, Berlin
Konzernkritik heißt nicht Aktienfeindschaft! Konzernkritik heißt auch, das Minimum an Demokratie, das im deutschen Aktionärsrecht steckt, voll auszuloten.
Derzeit sind die Vereinigungen kritischer AktionärInnen mit ihrem Dachverband die einzigen NGOs hier zu Lande, die auf die Durchleuchtung der deutschen Konzerne und die Vertretung der kritischen Öffentlichkeit bei den Aktionärs-Hauptversammlungen spezialisiert sind. 25 bis 30 Hauptversammlungen im Jahr, mit entsprechender Vor- und Nacharbeit und Netzwerkarbeit, sind keine schlechte Leistungsbilanz für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. [...]
Und als einzige Kritikerin an Henry Mathews Arbeit die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (die hauptsächlich das Interesse ihrer Mitglieder an einer höheren Dividende vertritt) zu zitieren, das ist wenig überzeugend.
Was Konzernkritik durch AktionärInnen und ihre Vertreter betrifft, so ist zu hoffen, dass bald auch deutsche Pensionskassen (das sind Großaktionärinnen) beginnen, Aktien nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu kaufen und verkaufen und in dieser Richtung auf die Konzerne einzuwirken. In der Schweiz geschieht das seit einigen Jahren im Rahmen der Stiftung Ethos – mit einem verwalteten Aktienvermögen im Wert von derzeit immerhin rund 500 Millionen Schweizer Franken, stark wachsend. Ist diese Organisationsform auf Deutschland übertragbar? Solche Themen stünden der taz weitaus besser an, als Polemik gegen Henry Mathews.
ISE BOSCH, Berlin
Was war die Intention von Frau Kern mit diesem Beitrag. Ein Porträt? Von einem politischen Aktivisten? Wohl kaum. Eher die Denunziation eines antikapitalistischen Politikansatzes. Schon die Fotoauswahl ist wohl kein Zufall. Kein Lächeln, sondern kühler Blick und im Hintergrund das verschwommene Bücherregal.
Herr Mathews wird als ein von Verfolgungswahn gekennzeichneter Kapitalismuskritiker dargestellt, der vollkommen irrational die Konzerne kritisiert. Der Pressesprecher von Schering, Herr Wlasisch, dagegen als toleranter, aufgeschlossener Mensch, der dialogbereit ist und nicht so verbohrt und natürlich nicht so „bitterernst“ wie der Kapitalismuskritiker. Ist eigentlich die taz nun scharf auf mehr Anzeigen von Multis wie Schering ? Reichen euch die Anzeigen von Lufthansa, Auto- und Atomindustrie nicht aus ? Oder hat euch die Kritik an den Grünen gestört ? [...]
HARALD HAHN, Berlin
Es scheint unmodern zu sein, Positionen von (radikalen) Minderheiten zu vertreten, auch wenn dies mal vor langer Zeit einer der Gründe war, die taz für ein linkes Blatt zu halten. Ironisch/zynisch in Form von Schlagworten statt Inhalten zu sein, wirkt überdies nicht besonders überzeugend.
ALEXANDER ONNASCH, Berlin
Liebe tazler, vor ein paar Monaten gab es für die treuen 20-jährigen Leser die erste taz-Unterstützerplatte als CD zum Geschenk. War das als Abschiedsgeschenk gedacht, da die taz sich jetzt neuen Leserschichten zuwendet?
[...] Die taz im Aktienfieber, ganz egal wie und wo. Ich kenne Henry Mathews nicht und kann daher seine Persönlichkeit nicht beurteilen. Aber die vielen Spitzen, wie man denn bloß dem Kapitalismus misstrauen könne, die sind schon unter aller taz-Niveau. Es ist ja auch wirklich egal, ob zum Beispiel deutsche Firmen im Ausland DDT produzieren, solange der Kurs steigt. Aber das tun sie ja auch gar nicht, denn Firmen, mit denen man Gewinn machen kann, sind doch gute Firmen. Tatsache.
[...] Interessieren würde mich eine Zeitung, die das, was zur Zeit an den Börsen geschieht, einmal kritisch unter die Lupe nimmt. Was bedeutet es, wenn Firmen nur noch nach Spekulationshoffnungen bewertet werden und nicht mehr nach Wirtschaftskraft, Auftragslage oder gar nach ethischen Kriterien (was allerdings nie der Fall war)? Was bedeutet es, wenn immer mehr Kleinkapital in die Börse drängt? Wo kommt das Geld eigentlich her? Und wer bezahlt am Ende? Denn auch die Börse ist kein Institut zum Gelddrucken. CHRISTIAN UECKER
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