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Archiv-Artikel

… DIE VIETNAMESISCHE COMMUNITY? Den Drachen feiern

Das blöde Kostüm ist den vier Jungen einfach nur peinlich. Einer soll in den Körper, der andere in den Kopf je eines Drachen steigern, und dann tanzen sie zusammen den Drachentanz. In der vietnamesischen Kultur ist dieser Tanz ein Muss, und das nicht nur, weil am heutigen Montag Tetfest ist und nach dem traditionellen Mondkalender das Jahr des Drachen beginnt. Drachen symbolisieren in der fernöstlichen Mythologie nicht das Böse wie oft in deutschen Mythen, sondern Männlichkeit, Macht, Aufbruch und Reichtum.

Doch die Tänzer wurden in Berlin geboren und würden sich lieber nach Popklängen bewegen und Jeans tragen, als nach traditionellen vietnamesischen Klängen in ein Kostüm zu klettern. Die Jungen sind aber auch brav genug, es dennoch zu tun. Diese Szene von einem Tetfest des vergangenen Jahres wird sich in diesen Tagen vielfach wiederholen. Denn rund um die Festtage sind die Auftritte der Drachen besonders gefragt.

13.000 vietnamesische Staatsbürger leben in Berlin. Die Zahl der ethnischen Vietnamesen wird auf 20.000 geschätzt. Für sie und die 5.500 Chinesen löst am heutigen Montag das Drachenjahr das Jahr der Katze ab. Wenn auf den ruhigen Stubentiger der dynamische, kraftvolle, aber auch unzähmbare Drache folgt, sollen, so die Mythologie, zwölf Monate beginnen, in denen man neue Vorhaben kraftvoll in Angriff nehmen soll.

Beim Tetfest wird auch deutlich, dass ein kultureller Riss durch viele vietnamesische Familien in der Stadt geht. Für die in Vietnam geborenen Eltern ist das Fest, das am Sonntag beginnend vier Tage gefeiert wird, ungefähr so wichtig, als würden Weihnachten, Silvester, Ostern und die Geburtstage aller Familienangehörigen zusammenfallen. In den Asiamärkten wurde allerlei Festessen eingekauft wie Klebreiskuchen und Hühner, die am Montag mit Kopf und Krallen gekocht auf den Ahnenaltar gestellt werden. Dort brennen Räucherstäbchen, deren Weihrauch die toten Ahnen satt machen soll. Mit ihnen fühlt man sich zum Tetfest besonders verbunden. Man legt ihnen gegenüber Rechenschaft ab über das vergangene Jahr und will sich natürlich nur von der besten Seite zeigen.

Für viele hier geborene Kinder ist der heutige Montag hingegen nur ein ganz normaler Schultag, an dessen Abend es etwas besonders Leckeres zu essen gibt. Die neunjährige Anna Duong aus Tempelhof etwa schwärmt von Weihnachten. Dass ihre Eltern das Fest, das in Vietnam keine Tradition hat, vor allem den Kindern zuliebe gefeiert haben, ist der Neunjährigen nicht bewusst. MARINA MAI Foto: dapd