… DAS KÖPENICKER EICHHÖRNCHEN? : Seil tanzen
Mit appetitlichem Grün bewachsene Wildbrücken, kommode Krötentunnel: Aus schlechtem Gewissen darüber, den Aktionsradius seiner tierischen Mitgeschöpfe durch Schnellstraßen zu zerschneiden und damit grausame Tiertode zu verschulden, sinnt der Mensch auf architektonische Kompensation.
Was aber passiert mit jenen Lebewesen, die ungern durch feuchte Röhren kriechen und längere Strecken lieber in der Luft zurücklegen – ohne freilich fliegen zu können? Was also passiert mit den zahlreichen Berliner Eichhörnchen, die sich auch mal auf der anderen Seite der Straße tummeln wollen, ohne gleich ein grässliches Ende unter einem Auto befürchten zu müssen?
Seit Freitag können sich zumindest Köpenicks Eichhörnchen über mehr Bewegungsfreiheit freuen. Quer über den Müggelseedamm wurde dort der Hauptstadt erstes Eichhörnchenseil gespannt. Bislang war die vielbefahrene Straße ein Massengrab für die Nager. Ab jetzt können sie in neun Metern Höhe – also über die Köpfe der vorbeidonnernden LKWs hinweg – elegant auf einem wetterbeständigen Kunststoffseil auf die andere Straßenseite schwingen. Damit das neue Angebot auch angenommen wird, haben die Initiatoren von der Organisation Aktion Tier an beiden Enden des Seils Nüsse versteckt, die den Baumbewohnern den Weg weisen sollen. Eine Videokamera soll künftig dokumentieren, wie gut sie die neue Luftbrücke annehmen.
Die Idee zu der Eichhörnchenluftbrücke stammt ursprünglich aus den USA. Im ostwestfälischen Vlotho spannte man 2012 erstmals ein Seil in Deutschland. Das wurde offenbar so eifrig genutzt, dass nun auch die hauptstädtischen Nager davon profitieren sollen. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die von gutmeinenden Wochenendausflüglern gefütterten Köpenicker Eichhörnchen nicht bereits so fett und träge sind, dass sie nach dem Genuss der Start-Nüsse wieder in ihr angestammtes Revier zurückplumpsen. API
Foto: Ingo Wagner/dpa