Profil-Einstellungen
Login Kommune
Hier könnten Ihre Kommentare stehen
Herzlich willkommen.
Auch Sie haben eine Stimme und auch die soll gehört und gelesen werden.
Hier werden alle Kommentare gesammelt, die Sie verfassen. Außerdem können Sie Kontaktmöglichkeiten hinterlegen und sich präsentieren.
Wir freuen uns, wenn Sie die taz.kommune mit Ihren klugen Gedanken bereichern.
Viel Freude beim Lesen & Schreiben.
meine Kommentare
30.06.2023 , 16:54 Uhr
(2. Teil) Infolgedessen lehnt Cole den damals verbreiteten Solidaritäts-Slogan „Je suis Charlie“ vehement ab. Nicht nur das, er stellt die Opfer auch noch auf eine Stufe mit Neonazis: Wer den Anschlag verurteile, müsse die Ideologie der Opfer nicht teilen; wenn man sich für das Demonstrationsrecht einer Neonazi-Gruppe einsetze (wie es die amerikanische Bürgerrechtsorganisation A.C.L.U. 1978 „zu Recht“ getan habe), verteidige man damit ja auch nicht deren Ansichten. Geschmacklosigkeiten, Täter-Opfer-Umkehr durch Verunglimpfung der Ermordeten, Verharmlosung der Taten durch Relativierung: Mir ist nicht bekannt, dass Cole seine damaligen Positionen je revidiert hätte. Im Gegenteil: Keine vier Monate später lehnt er es ab, an der Verleihungs-Gala des „Freedom of Expression Courage Award“ an Charlie Hebdo durch den amerikanischen PEN teilzunehmen. Mehr als 200 amerikanische Autor*innen unterstützen seinen Protest. Darüber (und über die angebliche „Islamophobie“ von Charlie Hebdo) ist damals genug geschrieben worden, auch in der taz. Deshalb gebe ich hier nur meiner Hoffnung Ausdruck, dass der/die eine oder andere auch ganz froh gewesen sein wird, nicht mit diesem geistigen Irrfahrer an einem Tisch sitzen zu müssen.
zum Beitrag30.06.2023 , 16:53 Uhr
(1. Teil) In seiner nur notdürftig als Rezension verkleideten Lobeshymne auf Teju Cole lässt Michael Wolf leider einen nicht ganz unwichtigen Aspekt aus. Am 9. Januar 2015, nur zwei Tage nach dem islamistischen Mordanschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo, veröffentlicht Cole im „New Yorker“ einen Kommentar mit dem geschmacklosen Titel „Unmournable Bodies“ (etwa „Tote, die es nicht wert sind, betrauert zu werden“). Erst gegen Ende des Textes stellt Cole klar, dass er damit nicht die Ermordeten meint – zehn Redakteure, eine Reinigungskraft, ein Polizist –, sondern u.a. „Hunderte von Kindern (und mehr als ein Dutzend Journalisten), die im vergangenen Jahr in Gaza von Israel getötet wurden“, während sich der Westen nur auf den radikalen Islam als echten oder einzigen Feind konzentriere. Cole verurteilt zwar den Anschlag, verliert jedoch kein Wort über den Antisemitismus der Täter, die sich zu Al-Quaida bekannten (zwei Tage nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag tötete ein weiterer islamistischer Attentäter in Absprache mit den Charlie-Hebdo-Killern vier jüdische Franzosen in einem Pariser Supermarkt). In Coles Kommentar gibt es nur einen einzigen Antisemiten, nämlich Voltaire. In Bezug auf die Opfer des Charlie-Hebdo-Anschlags ist er nicht so zurückhaltend: Die Zeitschrift habe sich zuletzt insbesondere auf rassistische und islamophobe Provokationen verlegt und verfolge eine „aggressive rassistische Agenda“; ihre Zeichner*innen seien keine Märtyrer, sondern Ideologen. („Derartige Aussagen“, kritisiert damals der in Paris lehrende Politologe Kolja Lindner, „drohen islamistische Terroristen geradezu in die Nähe antirassistischer Aktivistinnen zu rücken.“)
zum Beitrag13.12.2019 , 11:57 Uhr
Wie so oft stimme ich Hilal Sezgin in den allermeisten Punkten zu. Nur: „Zivilisation“, schreibt sie, „zeichnet sich dadurch aus, dass wir eben nicht routinemäßig und legal die einen für die anderen quälen dürfen; ganz egal ob Mensch oder Tier.“
Dabei ist die real existierende menschliche Zivilisation doch geradezu die Inkarnation des menschlichen Herrschaftsanspruchs über die ganze Welt, insbesondere über Pflanzen und Tiere. Unsere Macht legitimiert sich selbst: Weil wir sie besitzen, dürfen wir mit allen Elementen dieser Welt machen, was wir in unserem Interesse für nötig halten. Folgerichtig ist auch Tierquälerei selbstverständlich legal. Man darf einem Tier „Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, sofern es einen „vernünftigen Grund“ dafür gibt (Tierschutzgesetz, §1). Wie sich beim juristischen Streit ums Kükenschreddern gezeigt hat, galten schon die wirtschaftliche Interessen der Brutbetriebe als solche „vernünftigen Gründe“. Das Bundesverwaltungsgericht hat das nun mit Verweis aufs „Staatsziel Tierschutz“ im Grundgesetz ein wenig restriktiver ausgelegt; jetzt darf mit „Übergangsfrist“ weitergeschreddert werden, bis es nicht mehr nötig ist. Wie salomonisch.
Aber es gibt natürlich auch noch die andere „Zivilisation“, bei Christens auf den zehn Geboten beruhend. Dieses ideologische Konstrukt verhält sich zur realen Zivilisation ziemlich genau wie das „Staatsziel Tierschutz“ zu Schlachthof-Horrer, betäubungsloser Ferkelkastration und Krebsmaus. Wegschauen allein reicht ja nicht, man muss sich die Welt auch ein bisschen schön malen. Das ist Lyrik, hübsch für Sonntagsreden und Jahrestage. Ein bunter Heliumballon am Schwanz über der stinkenden Kloake des gleichnamigen Ungeheuers. Wer sich von dem Ballon blenden lässt, sieht das Monster bald nicht mehr.
Was Zivilisation mit Tierquälerei zu tun hat, scheint mir jedenfalls ziemlich klar. Nur ist es leider das Gegenteil von dem, was Hilal Sezgin meint.
zum Beitrag