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07.09.2020 , 16:36 Uhr
Recht kontraproduktiv, wenn die taz nur weiße Menschen zur Bedeutung Bismarcks befragen, aber nicht diejenigen aus den BPoC-Communities, die Bismarcks Kolonialpolitik aktuell und schon immer zurecht kritisieren. Wer spricht also aus dem Artikel? Mit wenig mehr Recherche hätte André Zuschlag sicherlich auch herausgefunden, dass es seit 2009 Kritik an der geplanten Aufhübschung/Sanierung des B-Denkmals gibt, in der Presse wie auch aus postkolonialen Initiativen. Leider wird im Artikel wie auch in den Kommentaren immer wieder gängiges Schulwissen über B. reproduziert, häufig gebetsmühenartig, und in der Tat, so funktionieren genau die hartnäckigen kolonialen Mythen, die Denkmäler umwehen. Es wird Zeit, dass die Schulen ihre Lehrpläne ändern. Wir sollten in der Debatte das Hamburger B-Denkmal und die historische Person B. trennen. Zur Person B.: Er hat aktive Europa-Politik in Afrika betrieben, und zwar lange vor der Berliner Afrikakonferenz 1884/85, bei der der afrikanische Kontinent unter den westlichen Mächten aufgeteilt wurde. Die gängige Bismarck-Forschung ist leider blind auf diesem Auge, und es wird Zeit, weiter in die Tiefe zu forschen. Konkrete Anhaltspunkte über B.s Involviertheit in der Kolonialpolitik gibt es genug. Zum Hamburger B-Denkmal: Es hat herzlich wenig mit der historischen Person B. zu tun. Es ist eine Kreation der Hamburger großbürgerlichen Kolonialkaufleute als Dank für neue Hafenanlagen, den lukrativen Freihafen und den Zollverein mit Preußen. Als der Kaiser im Zuge seiner Flottenpolitik begeistert rief: "Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!", war dies Musik in den Ohren der hanseatischen Handelsherren. Das Denkmal ist ihr Dank dafür, dass es in der Kasse klingelte. Was die "Kolonialbewegung", die mindestens bis 1945 aktiv war, aus der Erinnerungskultur machte: Kranzniederlegungen vor dem Denkmal. Heute umgibt sich die AfD gerne mit B-Büsten. Das sollte uns nicht egal sein.
zum Beitrag28.04.2019 , 19:13 Uhr
Und wo sind die Berichterstattungen der großen Medien über diesen beispiellosen Skandal? Wenn dann doch einige wenige der bürgerlichen Presse bisher berichteten, dann reden sie dem UKE-Mund nach. Letztes Jahr verschredderte das Hamburger Staatsarchiv eine Million NS-Akten, 45 laufende Meter: Todesbescheinigungen, auch von Euthanasie-Patienten. Obwohl der Aufschrei unter Historiker_innen und Opferverbänden groß war, blieb die vermeintliche "Unachtsamkeit" ohne personelle Konsequenzen. Und welche Rechte haben Psychiatriepatient_innen heute? Welche Menschen, die in einer weißen Dominanzgesellschaft intersektionell mehrfach diskriminiert werden? Wie kann das UKE nach diesem Vorfall noch glaubhaft versichern, Menschen zu schützen, die krank und traumatisiert sind?
zum Beitrag19.10.2014 , 01:21 Uhr
@drmcschreck
Was meinen Sie mit wissenschaftlichen "Standards" vs. "Fundamentalkritiker"?
Prof. Zimmerer ist ebenso ein qualifizierter Wissenschaftler wie Prof. Seukwa. Und in der "anderen Initiative", wie Sie formulieren, sind auch Wissenschaftler_innen tätig. Auch Nachkommen der Opfer der Kolonisierten können also durchaus wissenschaftlich tätig sein - stellen Sie sich das mal vor! Zudem haben sich die ziviligesellschaftlichen Initiativen über ein Jahrzehnt Wissen vor Ort angeeignet, die nicht unbedingt an der Uni gelehrt wird. Dieses Wissen geben sie schon lange in Bildungsveranstaltungen weiter.
Die Initiativen wehren sich nicht gegen die Aufarbeitung, wie kommen Sie darauf? Im Gegenteil; sie sind die Initialzündung dieses Prozesses. Sie fordern ein, dass vor allem die Nachkommen der Kolonisierten einbezogen werden sollen. Denn, das sagt ja Prof. Seukwa klar: die Kolonialgeschichte kann gar nicht rein geschichtswissenschaftlich ausreichend aufgearbeitet werden. Sie betrifft weitaus mehr Wissenschaftsdisziplinen, wie in den Diskursen der postcolonial studies und der Kulturwissenschaften formuliert.
Die Forderung, andere wissenschaftliche Herangehensweisen und andere historische Perspektiven (die der Nachkommen der Kolonisierten) VON ANFANG AN mit einzubeziehen, führt zu anderen Ergebnissen, als eine rein geschichtswissenschaftliche Erforschung anhand einer einzigen, zudem zeitlich und geographisch begrenzten Sichtweise.
Die Frage stellt sich eher: ist Hamburg bereit, sich ernsthaft mit seiner 500-jährigen Kolonialgeschichte auseinander zu setzen? Mit Sklavenhandel und Kolonisierung auf allen Kontinenten, auch von Gebieten, in denen kolonieähnliche Strukturen durch ungleichen Handel geschaffen wurden?
zum Beitrag