Profil-Einstellungen
Login Kommune
Hier könnten Ihre Kommentare stehen
Herzlich willkommen.
Auch Sie haben eine Stimme und auch die soll gehört und gelesen werden.
Hier werden alle Kommentare gesammelt, die Sie verfassen. Außerdem können Sie Kontaktmöglichkeiten hinterlegen und sich präsentieren.
Wir freuen uns, wenn Sie die taz.kommune mit Ihren klugen Gedanken bereichern.
Viel Freude beim Lesen & Schreiben.
meine Kommentare
27.06.2022 , 11:26 Uhr
Bilderstürmer Die ersten drei Tage zeigte sich der Friedrichsplatz als ein heiterer Ort mit einem Gewimmel von kunstinteressierten Menschen, die lachend und diskutierend an den bunten Pappaufstellern und dem großen, nun inkrimierten Wimmelbild vorbeizogen, um die Ausstellung im Fridricianum zu besuchen oder zur Karlsaue zu pilgern, wo Kunstobjekte im Grünen auf sie warteten. Doch dann der Schock. Zuerst schwarz verhüllt, dann das bunte Banner dem Gerüst entrissen, die Pappfiguren des Kollektivs Taring Padi hinweggefegt. Eine Ödnis, Zerstörung, Ruine, wo Kunst sein sollte. Zwei kleine Bildelemente, wenn auch fragwürdig und kritisch zu sehen führen in einer weiß gewaschenen Demokratie zur Bilderstürmerei. Bilderstürmer, Zensoren, Moralapostel, Kritikaster, Maulkorbleger und die erlauchten Meckerfritzen aus Politik, Verbänden und gutgemeinten Organisationen haben sich nun selbst entlarvt, dass Freiheit der Kunst nicht geduldet wird, wenn die Künstler politisch provokant mit sprödem Fingernagel an den Anstands-Normen der Industrienationen kratzen. Niemand, kein Künstlerkollektiv, kein Kreativer irgendeiner Art hat auf der Documenta in Wort und Schrift einen Antisemitismus proklamiert. Eine innerhalb eines riesigen Banners kaum wahrnehmbare Kritzelei, die wohl einen Juden in verleumderischer Pose darstellen soll, ist Anlass für ein allgemeines Brüllen von einschüchternden Worten wie Antisemitismus, Rassismus, Judenhass. Hier hat ein Mensch aus einem Schwellenland gewagt, mit einer vielleicht falschen Symbolik die Raffsucht des Westens anzuprangern und wird sogleich mit verbaler Brachialgewalt in seine Schranken gewiesen. Wenn wir nicht in der Lage sind, solche eher zarten Angriffe zu akzeptieren, sollten wir Wörter wie Pluralismus, Gedanken-, Redefreiheit, Demokratie nicht mehr in den Mund nehmen und uns schämen vor unserem heuchlerischen, selbstgefälligen Leben, das darauf getrimmt ist, gegen alle Vernunft zu expandieren und Zweifler daran biodynamisch unterzupflügen.
zum Beitrag