: Zum Beispiel Stalingrad
Sowohl ARD als auch ZDF produzieren aufwändige Mehrteiler zum Thema Stalingrad. Denn Geschichts-Dokus im Fernsehen boomen und mit ihnen der Wettlauf um Zeitzeugen und Quellenmaterial („Stalingrad“, ARD, 21.45 Uhr)
Ob Kubakrise, Rommel oder andere historische Ereignisse und Personen: Geschichtsdokumentationen sind in den letzten Jahren zur Massenunterhaltung geworden – ganz besonders, wenn Jahrestage anstehen. So wie jetzt: Die Schlacht um Stalingrad liegt 60 Jahre zurück. Als Erstes ist die ARD mit ihrem Zweiteiler dran.
„Das ist eine Art neues ,Rock ’n’ roll‘-TV“, sagt Pat Ferns, Präsident des renommierten Banff- Fernsehfestivals. Doch den Vergleich zur Entertainment- und Popkultur möchte niemand so gerne hören. Leopold Hoesch, der für Guido Knopp einen ZDF-Dreiteiler über die Stalingrad-Katastrophe produziert hat, spricht lieber von „moderner Breitenbildung“, gefällig-unterhaltsame Stilmittel inklusive. Dazu gehören die Knopp-typischen „höheren Schnittfolgen“ und die Vorliebe, „Musik dramaturgisch einzusetzen“. Den Konkurrenzkampf zwischen ARD und ZDF in Sachen 2. Weltkrieg – und jüngerer Geschichte allgemein – sieht er gelassen: Natürlich gebe es, beispielsweise bei „Stalingrad“, einen Wettlauf um Zeitzeugen und Quellenmaterial. Doch „Wettbewerb, der auch Qualität“ gewährleiste, könne schließlich nicht schaden.
Während das Dritte Reich vor allem in Deutschland Quote macht, nähert sich der Trend international seinem Ende: Schon jetzt seien europäische wie US-Sender mit entsprechenden Produktionen eingedeckt, so Hoesch. Doch mit der Zeit verändert sich nicht nur das Bild von Geschichte, sondern notwendigerweise auch deren Interpretation, sagt Jo Groebel, Chef des Europäischen Medieninstituts.
In Zeiten der Spaßgesellschaft, in der alles auch Unterhaltung zu sein hat, komme die Frage auf, wie weit gefällige Darstellungen mit der historischen Wirklichkeit vereinbar sind. „Wenn Bilder nur noch Clip-Charakter haben, gibt es kaum Unterschiede zwischen Propagandaaufnahmen von einem Reichsparteitag und einem Popvideo“, sagt Groebel. Und findet bei Produzenten und Sendern mittlerweile Gehör. Hoesch: „Im Moment ist eine Tendenz in Richtung weniger Schnitte, längere Statements und ruhigere Musik zu beobachten.“
Der Doku-Boom insgesamt scheint ungebrochen, das ZDF setzt bei seiner „behutsamen Programmreform“ (Intendant Markus Schächter) schwerpunktmäßig auf Geschichte. Und neu-alte Stoffe gibt es genug. Um auf internationaler Ebene im Geschäft mit der im Vergleich zur TV-Fiction immer noch billigen Doku mitspielen zu können, müssten die Produktionsbudgets schon zwischen 500.000 und 600.000 Euro pro Stunde Programm liegen. Bei deutschen Sendern zurzeit undenkbar. Hoesch wünscht sich hier eine Angleichung: „Wenn es gelänge, diese Budgets zu bekommen, dann wage ich die Prognose, dass Deutschland innerhalb der nächsten Jahre neben der BBC, Channel 4 und History Channel der wichtigste Stofflieferant werden kann.“ WILFRIED URBE
Zweite Folge: Mo., 21.55 Uhr, ARD. Die ZDF-Reihe beginnt am 14. 1. 2003.