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Archiv-Artikel

Justiz und Opposition lassen im Fall Bashir nicht locker

SÜDAFRIKA Kritik an der Abreise von Sudans Präsident wächst. Ermittlungen gegen Regierung gefordert

VON MARTINA SCHWIKOWSKI

BERLIN taz | Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir ist zwar längst aus Südafrika wieder abgereist, aber er hinterlässt Zündstoff für wochenlange Debatten um die Frage: Wie konnte das passieren? Ein vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag als Kriegsverbrecher mit Haftbefehl gesuchter Präsident besucht das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Johannesburg – und darf wieder abfliegen, in Missachtung einer gerichtlichen Verfügung und kurz bevor ein Gericht die Vollstreckung des Haftbefehls anordnet?

Das betroffene Gericht in Pretoria hat nun am Mittwoch in einer neuen Anhörung bestätigt, dass Präsident Bashir keine Immunität in Südafrika besaß und die Regierung die Justiz missachtete. Südafrikas Staatsanwaltschaft wurde aufgefordert, Ermittlungen gegen die Regierung aufzunehmen. „Ein demokratischer Staat kann nicht funktionieren, wenn die Regierung die Verpflichtungen gegenüber der eigenen Verfassung ignoriert“, sagte Richter Dunstan Mlambo.

Am Dienstag hatte die Opposition im Parlament die Regierung bei einer Debatte in die Ecke gedrängt: „Präsident Zumas Regierung hat eine Straftat begangen, indem sie einem Gesuchten half, dem Gesetz zu entkommen“, sagte Stevens Mokgalapa von der Oppositionspartei DA (Demokratische Allianz). Medienberichten zufolge verließ Bashir Südafrika am 15. Juni nach einem geheimen Treffen führender ANC-Politiker, die ihm zu einem sicheren Abflug von der Waterkloof Airforce Base nahe Pretoria verhalfen.

Aber Obed Bapela, Vizeminister für Kooperation und traditionelle Angelegenheiten, ließ sich nicht beirren: „Präsident Omar al-Bashir war von der AU zur AU eingeladen worden. Er befand sich nicht auf Staatsbesuch in Südafrika. Er nahm an einem Treffen teil, das in den AU-Regeln vorgesehen ist.“ Bashir spiele eine wichtige Rolle in den sudanesischen Darfur-Friedensverhandlungen und seine Abwesenheit würde die regionale Stabilität beeinträchtigen.

Der Politiker zog als Beispiel für das fragwürdige Handeln der südafrikanischen Regierung die Vereinten Nationen heran: „In den 70 Jahren der UNO hat Amerika nie versucht, einen Anführer zu verhaften.“ Der Tag, an dem die UNO ein Staatsoberhaupt verhafte, werde ihr Bestehen beenden, da Staatsführer dann Angst haben müssten, dorthin zu kommen, so das Argument der Regierung für ihre Weigerung, einen AU-Gipfelgast festnehmen zu lassen.

ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe empfahl seiner Partei, Südafrika solle als Mitgliedstaat aus dem Strafgerichtshof austreten: „Der ICC ist gefährlich. Es ist ein Werkzeug in den Händen der Mächtigen, die versuchen, die Armen zu bekämpfen.“

Ähnlich wie die Regierung in Südafrika kritisiert auch die linke Oppositionspartei EFF (Economic Freedom Fighters) den ICC als ein selektiv agierendes Gericht, dass nur Afrikaner verfolgt. Einig ist sich allerdings die gesamte Opposition von rechts und links darin, dass die Regierung ein Gerichtsurteil nicht einfach hätte ignorieren dürfen. Dies sei ein gefährlicher Präzedenzfall für die Zukunft, hieß es von EFF-Seite.

„Dieses ist ein bedeutsamer Moment für das Gericht, die Regierung und somit das Rechtssystem“, sagt Richard Calland, Rechtsprofessor an der Universität von Kapstadt. „Man kann sich kaum einen vorherigen Anlass vorstellen, bei dem das Ausmaß der Missachtung eines Gerichtsurteils so offensichtlich war.“