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Archiv-Artikel

Zwei Hundertstel Freude

GLEICHSTELLUNG Der Mindestlohn senkt die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede im Niedriglohnsektor, sagt eine Studie – allerdings nur marginal

BERLIN taz | Die Einführung des Mindestlohns könnte nicht nur das allgemeine Lohnniveau heben, sondern vor allem auch die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen verringern. Das zeigt eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts im Auftrag eines Vereins berufstätiger Frauen.

Seit Anfang des Jahres haben Beschäftigte Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Da wesentlich mehr Frauen als Männer im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, profitieren diese besonders von der Anhebung des Lohnniveaus. 17,5 Prozent der abhängig beschäftigten Frauen verdienten laut der Studie bisher weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Im Vergleich dazu sind nur 7,2 Prozent der Männer von der Einführung des Mindestlohns betroffen.

Unterscheidet man nach Qualifizierung und nach Ost- und Westdeutschland, gehen die Zahlen noch weiter auseinander. Fast die Hälfte der geringqualifizierten Frauen in den neuen Bundesländern verdienten bisher unterhalb des Mindestlohns. Die ungleiche Bezahlung zwischen den Geschlechtern ist allerdings in Westdeutschland deutlich gravierender. Durchgängig positiv ist das Bild für berufstätige Frauen im Niedriglohnsektor jedoch nicht. Einer der zentralen Streitpunkte in der Debatte um den Mindestlohn war die Befürchtung, es könnte zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen. Sollte dies eintreten, so simulieren die AutorInnen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts in ihrer Studie, wären etwa Gering- und Teilzeitbeschäftigte deutlich gefährdeter, ihren Job zu verlieren, als Vollzeitbeschäftigte. Dies betrifft vor allem Frauen. Im schlechtesten Fall könnten bis zu 18,4 Prozent der vom Mindestlohn betroffenen Frauen entlassen werden, behaupten die AutorInnen. Unter den Männern sehen sie dieses Risiko bei bis zu 5,9 Prozent.

Und auch wenn der Mindestlohn sich im Hinblick auf die geschlechtsspezifische Lohnlücke statistisch positiv darstellt – angesichts der bestehenden Lohnlücke von 22 Prozent gibt die geschätzte Angleichung um 2,5 Prozentpunkte nur Anlass zu mittelmäßiger Euphorie. In England, wo der Mindestlohn bereits 1999 eingeführt wurde und wo die jeweilige Anzahl der betroffenen Frauen und Männer sogar noch weiter auseinanderging als in Deutschland, verringerte sich die Lohnungleichheit nur um 1 bis 2 Prozentpunkte. LOU ZUCKER