: Schadenersatz nach zwei Jahren Warten
ARBEITSSCHUTZ Das Geld ist beisammen: Die beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza Verletzten und Angehörige der über 1.100 Toten werden entschädigt. Verbindliche Haftungsregeln fehlen aber weiter
BERLIN taz | Mehr als zwei Jahre nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch können die Opfer nun endlich in der versprochenen Höhe entschädigt werden. Am Dienstag erklärte Guy Ryder, der Chef der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, dass die geforderten 30 Millionen US-Dollar (rund 26,5 Millionen Euro) endlich beisammen seien. Damit können die mehr als 2.500 Überlebenden sowie die Angehörigen der 1.135 Toten nun den vollen Schadenersatz bekommen.
Damit findet ein schwieriger Entschädigungsprozess sein Ende. Ein halbes Jahr nach dem Einsturz des illegal aufgestockten Gebäudes war ein Ausschuss gegründet worden, in dem alle Beteiligten vertreten waren: Regierungs- und Industrievertreter Bangladeschs, nationale und internationale Gewerkschaften, NGOs und auch internationale Modefirmen. Den Vorsitz übernahm die UN-Sonderorganisation ILO, in der wiederum Vertreter von Regierungen, Wirtschaft und Gewerkschaften zusammenarbeiten. Im Januar 2014 entstand ein Fonds, in den vor allem die Modefirmen einzahlen sollten. Viele der westlichen Ketten, darunter etwa der Textildiscounter Kik, hatten im Rana Plaza nähen lassen.
Die Höhe der Entschädigung wird für jeden Anspruchsberechtigten individuell berechnet. Basis ist eine Formel, die sowohl die medizinische als auch die finanzielle Situation beachtet. Nach Schätzungen erhalten Überlebende einige tausend Euro, die Angehörigen von toten Familienernährern ungefähr 15.000 Euro.
Das Unglück damals hätte verhindert werden können. Obwohl am Vortag Risse in dem Gebäude festgestellt worden waren und die Polizei das Gebäude gesperrt hatte, hatten Ingenieure noch am Tag des Einsturzes Entwarnung gegeben. Die Näherinnen mussten zur Arbeit, das Gebäude stürzte zusammen, mehr als 1.100 Menschen starben.
Das machte die gravierenden Sicherheitsprobleme der Textilfabriken in Bangladesch bekannt. Lohnerhöhungen und bessere Kontrollen wurden versprochen – und letztlich auch die Entschädigungen zugesagt. Laut Berndt Hinzmanns entwicklungspolitischem Inkota-Netzwerk ist das bisher einmalig.
ILO-Chef Guy Ryder forderte zusätzlich gesetzliche Unfallversicherungen. Auch verbindliche Haftungsregeln fehlten: Modefirmen können anonym und freiwillig in den Fonds zahlen, sie müssen keine Schuld eingestehen. Gerichtsprozesse bleiben ihnen erspart. VINCENT BUSS