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Archiv-Artikel

Lebenszeichen der Rohingya

BLICKKONTAKTE Skype in einem Camp in Birma: So halten Angehörige der verfolgten Minderheit der Rohingya Verbindung zu Verwandten, die ins Ausland geflohen sind. Ein Fotograf hat Freude und Verzweiflung dokumentiert

RANGUN taz | Laut sei es jedes Mal gewesen auf der Straße vor dem Internetcafé, erzählt Min Zayar Oo. Die Schlange der Wartenden war immer lang, ihre Hoffnung groß. Geduldig harrten sie aus, bis sie endlich an der Reihe waren. Nicht selten skypten sie zum ersten Mal in ihrem Leben. Am anderen Ende der Leitung warteten Väter, Brüder, Ehemänner, Töchter und Söhne – oder Menschenhändler.

Min Zayar Oo ist ein birmesischer Fotograf. Er beschäftigt sich mit dem Schicksal von Flüchtlingen in Südostasien. Der 26-Jährige reiste in eines der Camps im Westen des Landes, in die Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya nach Pogromen geflohen sind, in denen sie seit Jahren festgehalten werden und aus denen sie aufgrund der miserablen Lebensbedingungen immer öfter ins Ausland fliehen. Ein Großteil der Bootsflüchtlinge, die derzeit in Asien Zuflucht suchen, sind Rohingya. Für westliche Journalisten ist es kaum möglich, Zugang zu den Rohingya-Camps in Birma zu erhalten.

Als Min Zayar dort erstmals an einem Internetcafé vorbeikam, sah er eine schwangere Frau mit ihrem Ehemann skypen. Der war nach Malaysia übergesiedelt, um von dort für sie und das Kind zu sorgen. „Skype, das Internetcafé – das alles steht für den Kontakt zur Außenwelt, für Hoffnung auf ein besseres Leben“, so der Fotograf. Er wollte diese Aufbruchstimmung festhalten.

Doch als er im Frühjahr dort fotografierte, wurde er auch Zeuge skrupellosen Menschenhandels. Es dauerte nicht lange, bis in Min Zayars Beisein der erste Menschenhändler am Telefon war. „Das sind die Momente, in denen du als Fotograf endgültig unsichtbar wirst. Diese Menschen haben ja ganz andere Probleme als dich.“ Etwa Lösegeldforderungen bis 2.000 Dollar.

Schlepper locken Rohingya, Erwachsene wie Kinder, auf Boote und halten sie später in Thailand oder Malaysia in Camps fest, bis Verwandte sie von dort freikaufen. Min Zayar erinnert sich an Abdul Kadar und dessen 14-jährige Tochter. „Woher soll ein Rikschafahrer 1.500 Dollar nehmen? Er hatte keine andere Wahl, als sie an einen reichen Mann zu verheiraten.“

Der vielversprechende Skype-Verbindungston. Und kurz darauf die maßlose Enttäuschung. Min Zayar hat Emotion in all ihren Facetten erlebt und in seinen Fotos festgehalten. Sieht er heute die Bilder aus Thailand und Malaysia, wo immer neue Massengräber gefunden werden, fragt er sich, was wohl aus den Menschen geworden ist, an deren Schicksal er mit seiner Kamera so nahe dran war. Manchmal sogar im wörtlichen Sinne. „Die Menschen waren derart absorbiert von ihren Gesprächen“, sagt er, „dass ich teilweise eng an sie heranrücken musste, so nahe waren ihre Gesichter dem Bildschirm.“ VERENA HÖLZL

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