Sicherheit als Kulturpraxis

VORTRAG Homi K. Bhabha an der Berliner AdK

Der indische Kulturwissenschaftler Homi K. Bhabha, Professor an der Harvard University, kam in den neunziger Jahren als einer der ersten Fellows an das 1996 gegründete Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZfL). „‚Angst‘ in kultureller Übersetzung“ lautete einer der Vorträge, die er dort hielt. Jetzt, knapp 20 Jahre später, hat ihn das ZfL zum „Honorary Member“ ernannt. Diese Ehrenmitgliedschaft teilt er sich mit international renommierten Wissenschaftlern wie dem Kunsthistoriker Hans Belting, der Literaturwissenschaftlerin Julia Kristeva oder dem Philosophen Michail Ryklin.

Die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel, Direktorin des ZfL, begrüßte Bhabha bei dessen Inauguralvorlesung am Mittwoch im vollbesetzten Plenarsaal der Berliner Akademie der Künste, die man für den Anlass als Ort gewählt hatte. Ein perfekter Rahmen für Bhabhas Vortrag „On Culture and Security“: Draußen war der Pariser Platz großflächig abgesperrt, man musste ihn einmal an den Außenrändern umrunden, sich vorbeidrängeln an Bereitschaftspolizisten und Menschen mit Bildern des ägyptischen Präsidenten al-Sisi, der während seines Berlin-Besuchs im Hotel Adlon gleich neben der Akademie residierte.

Bhabha bedankte sich eingangs beim Publikum, dass es tatsächlich gekommen sei, um ihm zuzuhören, und nicht, um das Staatsoberhaupt Ägyptens zu begrüßen. In seinem Vortrag selbst widmete sich Bhabha dann „spezifischen Momenten“ in Poesie und Kunst, um sich dem Verhältnis von Sicherheit und Kultur zu nähern. Insbesondere sprach er über das Gedicht „September 1, 1939“, das der Schriftsteller W. H. Auden zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verfasste und das nach den New Yorker Anschlägen des 11. Septembers 2001 oft zitiert worden war.

In Audens Gedicht sah Bhabha den Versuch, die Lage bei Kriegsanfang zu verstehen, mit einer Poesie, die frei sei von den herrschenden Ideologien ihrer Zeit. Das Gedicht verkörpere durch seine Form und sein Metrum vielmehr den „Affekt der Unsicherheit“. Einen normativen Diskurs wollte Bhabha dabei ausdrücklich vermieden wissen.

Bhabha lobt sich als Intellektueller gern selbst. So sei eine allgemeine Theorie wie die über Freiheit und Sicherheit für seine Fragestellungen zu grob, man müsse stattdessen einen „feinkörnigen“ Ansatz wählen, wie er seine Arbeit an Einzelphänomenen beschrieb. Am Ende wies er noch darauf hin, dass dies ein schwieriger Vortrag gewesen sei – zu hören, aber auch zu schreiben. Applaus. TIM CASPAR BOEHME