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Archiv-Artikel

Philosophen und Dub

Ohne Daniele Antezza würde eine Reihe von Schallplatten vermutlich ganz anders klingen. Der in Berlin ansässige Italiener ist als Mitgründer des Artefacts Mastering Studio für das akustische Endergebnis zahlreicher Maxis und Alben mit elektronischer Musik zuständig. Er selbst gehört zum Techno-Duo Dadub und hat vor Kurzem das Label Undogmatisch mitgegründet.

Als erste Veröffentlichung erscheint dort jetzt das Debütalbum von Antezzas Soloprojekt Inner8. Diese „innere Acht“, die, wenn man sie auf die Seite kippt, zum Symbol der Unendlichkeit wird, soll ein bisschen den Charakter von Antezzas Musik andeuten. Diese hat durchaus rituellen Charakter, will aber die Hörer nicht mit stur geradeaus stapfendem Beat unter ihren Willen zwingen, sondern hämmert, poltert und rumpelt mit höchst dynamischen Akzenten. Dazu schwirren nebelverhangene Klangformationen vorüber, die sich schon mal zu energischen Ausbrüchen verdichten können.

Inner8 bietet keine Einlullmusik, sondern mal meditativere, mal wütendere Anregungen zum Nachdenken. Dem verleiht Antezza mit gelegentlichen Stimmen-Samples zusätzlichen Ausdruck, etwa wenn er in „Violence“ ein längeres Zitat des Philosophen Slavoj Zizek über ruhige Synthesizerflächen legt, während Zizek seine These „Violence is usually the arm of the impotent“ erörtert. Vielleicht ist das in seiner Ausführlichkeit etwas zu gut gemeint, doch andererseits gibt es, von taz-Kollege Ulrich Gutmair einmal abgesehen, nicht so viele elektronische Musiker, die sich der markant lispenden Stimme Zizeks ähnlich liebevoll gewidmet haben.

Auf Stimmenfang dieser Art muss der Brite Fin Greenall alias Fink gar nicht erst gehen, er kann das mit dem Singen selbst schon sehr gut. Der inzwischen ebenfalls in Berlin ansässige Musiker, der nebenbei mit seinem Dub-Projekt Sideshow und als DJ in Erscheinung tritt, hat sich die Songs seines Albums „Hard Believer“ noch einmal vorgenommen und eine Art Dub-Versionen erstellt.

Finks Folk- und Indie-Rock-Nummern werden dabei kräftig elektronisch nachbearbeitet. Der Gesang beschränkt sich auf wenige, mantraartig wiederholte Zeilen, die Instrumente scheinen sich hier und da in Hall aufzulösen, und die ganze Geschichte bekommt einen düster-mysteriösen Einschlag. Steht dem Material ganz ausgezeichnet. Und man könnte fast die ein oder andere Parallele zu Inner8 sehen – von den Philosophenzitaten einmal abgesehen.

TIM CASPAR BOEHME

■ Inner8: „Inner8“ (Undogmatisch)

■ Fink: „Horizontalism“ (R’Coup’D/Rough Trade)