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Archiv-Artikel

Rollen überm Meeresboden

ÖKOLOGIE Krabbenfischer operieren zum größten Teil im Nationalpark Wattenmeer. Umweltschützer kritisieren, dass in den Schleppnetzen viele andere Fische als Beifang hängen bleiben – und verenden

VON GERNOT KNÖDLER

Die Krabbenfischerei ist ein großes Geschäft. Mehr als ein Viertel des Geldes, das Deutschlands Hochsee- und Küstenfischer einnehmen, steuern die Krabbenfischer bei. Doch bei den Tierchen – auch Nordseegarnele oder Granat genannt – macht es nicht die Masse, sondern die Klasse. Die Branche ist in Deutschland von Familienbetrieben geprägt. Und wenn es hierzulande noch so etwas wie Hafenromantik gibt, dann ist sie den Krabbenkuttern mit ihren Schmetterlingsnetzen zu verdanken.

Doch die Branche steht unter Druck: ökonomisch, weil es im wesentlichen zwei Firmen gibt, die die Krabben vermarkten, und die deshalb bis vor Kurzem die Preise diktieren konnten; ökologisch, weil die Krabben zum größten Teil im Nationalpark Wattenmeer gefischt werden, der von Rechts wegen zum größten Teil nicht genutzt werden dürfte, und wo die Krabbenfischer derzeit noch mit einer Praxis fortfahren dürfen, die in anderen Fischereien mittlerweile verboten ist: Beifang über Bord zu werfen.

Der ökonomische Tiefpunkt für die Fischer dürfte das Jahr 2011 gewesen sein, in dem der Kilopreis zeitweilig auf 1,30 Euro fiel – als kostendeckend gelten drei Euro. Die deutschen Krabbenfischer schlossen sich daraufhin zu drei Erzeugergemeinschaften zusammen – die größte ist mit 96 Gesellschaftern und 101 Kuttern die „Erzeugergemeinschaft der Deutschen Krabbenfischer“. „Wir fangen durchschnittlich 7.000 Tonnen im Jahr“, sagt deren Chef Dirk Sander, „die braucht der Handel und deshalb muss er mit uns reden.“

Die Erzeugergemeinschaft tritt auch als Interessenvertretung auf. Um der Kritik von Umweltschützern und der drohenden Regulierung durch die EU zu begegnen, versucht sie etwa, die Krabbenfischerei nach den Kriterien des Marine Stewardship Council (MSC) zertifizieren zu lassen. Damit würde ihr bescheinigt, dass sie die Bestände und Ökosysteme erhält und sie könnte mit dem blauen MSC-Siegel mit dem Fischlein werben.

Doch bis dahin ist es noch ein Stück Wegs. Umweltorganisationen wie der WWF oder Greenpeace kritisieren, dass die Krabbenfischer überhaupt ihre Netze durch den Nationalpark Wattenmeer schleppen. Dabei rollen die Netze auf dicken, in 20 Zentimetern Abstand gesetzten Gummirädern über den Meeresgrund. Krabbenfischer-Chef Sander versichert, das schone den Meeresboden.

Viola Liebich, die sich für den WWF mit der Krabbenfischerei befasst hat, sieht das kritischer. Die Rollen seien gewaltig, die Fischerei auf jeden Fall eine Störung und für Sandkorallenriffe sowie Seemooskolonien fatal. Welchen Anteil die Krabbenfischerei an der Zerstörung der Riffe hat, sei allerdings ungewiss.

Um die Meeresökologie zu schonen, wird an alternativen Fangtechniken wie der Pulsbaumkurre geforscht. Statt durch die Rollen werden dabei die Krabben durch elektrische Impulse aufgescheucht. Mit dieser Methode könnte möglicherweise auch der Beifang, das zweite große Problem der Fischerei, begrenzt werden.

Denn wenn das Netz über den Sand rumpelt, scheucht es nicht nur die verkaufsfähigen Krabben auf, die sich darin vergraben haben, sondern auch viele Jungtiere und Plattfische, die mitgefangen und über Bord geworfen werden – was für viele das Todesurteil bedeutet.

Noch befinden sich die Krabbenfischer in einer komfortablen Lage. Zwar gilt seit Januar in der EU das Verbot, Beifang über Bord zu werfen – jedes gefangene Tier muss an Land gebracht werden und wird auf die Fangquote des Fischers, also die ihm zugestandene Fangmenge angerechnet –, bis 2019 sind allerdings Fischereien auf nicht quotierte Arten wie die Nordseegarnele von dem Verbot ausgenommen.

„Das ist absolut idiotisch“, findet die WWF-Expertin Liebich. Schließlich gingen den Krabbenfischern jede Menge quotierte Fische ins Netz. Sollten sie diese ab 2019 tatsächlich an Land bringen müssen, kämen sie in die Bredouille. „Wenn sie für diese Plattfische keine Quoten haben, dann haben sie ein Problem“, sagt Liebichs WWF-Kollegin Stella Nemecky.

Fischer-Chef Sander glaubt das nicht: „Dann sind wir so weit mit unseren Netzforschungen, dass wir Beifang zum größten Teil ausschließen können“, prognostiziert er und verspricht: „Wir kriegen das hin.“