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Archiv-Artikel

KURZKRITIK: KLAUS WOLSCHNER ÜBER SIELINGS SECHS PUNKTE Ein lautes „Weiter so“!

Der designierte Bürgermeister Carsten Sieling will „Vertrauen zurückgewinnen“, einen „Neuanfang der Politik des Senats“, „mehr soziale Gerechtigkeit“ herstellen. Die konkreten Versprechungen in seinem „6-Punkte-Papier“ halten sich aber in Grenzen – sie klingen wie Jens Böhrnsens Reden vor zehn Jahren. Damals war Sieling dessen engster Vertrauter. Im Grunde schallt aus den „6 Punkten“ ein lautes „Weiter so“.

Wenn ein Politiker „mehr soziale Gerechtigkeit“ verspricht, dann lügt er, denn wer sich ungerecht behandelt fühlt, könnte das so verstehen, als sollte sich an seiner Lage etwas ändern. Das liegt aber gar nicht in der Macht der Kommunalpolitik. Zwei Euro mehr Sozialhilfe, drei Kitas mehr – das ist gut gemeint, aber es ändert vor allem etwas für das moralische Gefühl derer, die nicht betroffen sind.

Vertrauen zurückgewinnen kann nur, wer nicht die alten falschen Versprechungen wiederholt. Die Demokratie lebt nicht von dem durch die Parteien gebündelten Eigennutz, sondern vom Sinn für das Gemeinwohl.

Die Rhetorik des „Neuanfangs“ überzeugt niemanden in unserer unvergleichlich informierten Gesellschaft. Vertrauen gewinnen kann Politik nur, wenn sie den Mut hat, die Probleme anzusprechen. Wer qualifizierte ErzieherInnen haben will, muss dafür mehr Geld ausgeben – will das der Senat? Welcher Senatorin traut Sieling zu, aus der formellen Kompetenz „aus einer Hand“ für Kitas und Schulen die Frühbildung zu reformieren? Wird der Senat noch einmal seine BeamtInnen gegen sich aufbringen im Interesse eines ausgeglichenen Haushalts?

„Vertrauen zurückgewinnen“ kann nur, wer die Probleme nicht formelhaft schönredet oder schweigend übergeht. Nur Menschen, die sich ernst genommen fühlen von denen auf der politischen Bühne, können sich als StaatsbürgerIn verstehen.