Hoffentlich nicht Allianz-versichert

NACHHALTIGKEIT Allianz-Vorstandschef Michael Diekmann tritt nach zwölf Jahren in der Chefetage ab. Seine ökonomische Bilanz ist durchaus vorzeigbar, seine ökologische Bilanz dagegen äußerst mager

BERLIN taz | 15 Projekte. Auf ganze 15 Geschäfte hat der mächtige Versicherungskonzern Allianz aus ökologischen oder ethischen Gründen verzichtet, seit er sich vor zwei Jahren auf Druck von Nichtregierungsorganisationen Richtlinien für nachhaltiges Wirtschaften gegeben hat. Der Konzern schließt jedes Jahr weltweit viele Millionen Verträge ab. Gerade einmal 150 davon fanden Mitarbeiter unter den neuen Gesichtspunkten überprüfenswert. „Zehn Prozent wurden abgelehnt“, sagt Allianz-Sprecher Nicolai Tewes. Nachprüfbar ist das nicht, denn der Konzern will nicht sagen, um welche Geschäfte es sich dabei handelt.

Mit der Hauptversammlung der Allianz am Mittwoch in München hat bei Europas größtem Versicherer eine neue Ära begonnen. Der Vorstandsvorsitzende Michael Diekmann gab nach zwölf Jahren in der Chefetage den Stab an seinen Nachfolger Oliver Bäte ab. Diekmann hat als Vorstandschef den Startschuss für den Aufbau des Nachhaltigkeitsmanagements gegeben, dank dessen die 15 Projekte als nicht geschäftsfähig eingestuft wurden. Doch viel mehr als schöne Absichtserklärungen hat das nicht gebracht. „Die Allianz scheut vor konkreten Schritten zurück“, sagt Barbara Happe von der Umweltorganisation Urgewald. „Es fehlt die klare Linie.“ Happe fordert, dass sich der Konzern klare Umwelt- und Menschenrechtsstandards gibt und deutlich sagt, welche Geschäfte er ausschließt. Dazu könnte der Verzicht auf Geldanlagen in Rüstungskonzerne oder Ölmultis wie Shell und Gazprom gehören.

Seit einigen Jahren nutzen Nichtregierungsorganisationen wie Urgewald oder die Kritischen Aktionäre Hauptversammlungen der Allianzanteilseigner, um Geschäftsverbindungen des Konzerns zu umstrittenen Großprojekten wie den Belo-Monte-Staudamm in Brasilien oder Investitionen in Klimakiller wie Kohlekraftwerke zur Sprache zu bringen.

Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionäre kritisiert, die Allianz pflege eine Doppelmoral. In Deutschland setze sich etwa deren Unternehmensstiftung für die Renaturierung von Flüssen und Seen ein. „In Brasilien hilft die Allianz kräftigt mit, die Flüsse plattzumachen“, sagt er. Allianz-Sprecher Tewes sieht das anders. Er spricht regelmäßig mit Vertretern von NGOs. „Wir haben einen guten Dialog“, sagt er. Tewes meint, die Allianz habe einiges vorzuweisen. So hat sie einen Nachhaltigkeitsarbeitskreis eingerichtet, dem immerhin drei hochkarätige Manager angehören. Einmal im Quartal treffen sich die Herren mit anderen Allianz-Leuten, die unter anderem für Compliance („Gesetzestreue“) und Nachhaltigkeit zuständig sind. „Gemeinsam mit NGOs haben wir 13 Sektoren identifiziert, in denen wir Nachholbedarf haben“, sagt er. Dazu gehören die Themen Menschenrechte, Nuklear und Bergbau.

Für diese Sektoren hat der Konzern Richtlinien erarbeitet, welche Geschäfte noch akzeptabel sind. „Es gibt Dinge, die wir nicht mehr versichern“, sagt Tewes. Welche das genau sind, will er allerdings nicht sagen.

Auch welche Kapitalanlagen angeblich Tabu sind, ist nicht zu erfahren. Immerhin räumt Tewes ein, dass die Allianz nicht uneigennützig ethische und ökologische Aspekte berücksichtigt. „Wir glauben, dass das auch unserem Geschäft dient.“ Wenn es um die Kalkulation von Risiken geht, gehört die Allianz schließlich zu den führenden Unternehmen: Müssen für ein Staudammprojekt keine Menschen aus ihrem Lebensraum vertrieben werden, wird auch der Bau schneller realisiert. ANJA KRÜGER