: „Der fruchtbarere Umgang“
LITERATUR Uta Stolle liest aus ihrem norddeutschen Familienroman „Das resedagrüne Sofa“
■ Mitbegründerin der taz.bremen ist Historikerin und Autorin.
taz: Was ist denn „resedagrün“, Frau Stolle?
Uta Stolle: Das ist eine ausgestorbene Farbe. Reseda ist eine Blütenpflanze, sie wächst in südlichen Ländern an kalkigen Hängen. Ein gelbliches Grün, vielleicht, oder ein bläuliches. Diese Farbe wurde gern für elegante Möbel verwendet. In dem Buch steht sie für die Sehnsucht nach dem Schönen, nach dem schönen Leben.
Das färbt den Titel des Buches etwas nostalgisch.
Mag sein. Es geht ja um Sehnsüchte, die über den platte Alltag hinauswollen und scheitern, aber auch Spuren hinterlassen.
Das ist ein Familienroman, der vom schönen Leben in finsteren Zeiten erzählt. Er ist so feinfühlig präzise erzählt, dass man das Gefühl hat, die Autorin muss dabei gewesen sein.
Die Autorin hat Glück gehabt. Sie hatte eine Gewährsfrau, deren Gedächtnis sehr präzise zurückreichte. Das war meine Mutter. Ich habe vor mehr als 20 Jahren mal diese Geschichten, die immer wieder erzählt wurden, auf Tonband aufgenommen. Ich habe in ihrer PFantasie gekramt, angefangen bei der Kindheit im Oldenburger Land, auch in der Hoffnung, dass sie etwas über die Nazi-Zeit erzählen würde, über die sonst nicht geredet wurde in der Familie.
Liegt es daran, dass der Weg dieser Familie und vor allem der des Vaters zum NSDAP-Mitglied in Nienburg fast verständnisvoll beschrieben wird?
Dieser Georg Otten steht in dem Buch an der Stelle, wo im Leben meiner Familie mein Vater stand. Ich hatte das Problem immer im Hinterkopf, aber ich wollte ihn in seine Zeit versetzen, ohne immer zugleich den Finger zu heben und zu sagen: böse, böse, böse. Eine Figur muss Luft zum Atmen haben, sonst lebt sie nicht, sonst ist sie ein Klischee aus löblichen Absichten.
Dieser Georg Otten war als eingewanderter Holzhändler ausgegrenzt und sah in der NS-Zeit die Chance, die Kleinstadt-Strukturen aufzubrechen und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.
Sein wirtschaftlicher Hauptkontrahent gehörte zum „systemstabilisierenden“ Bürgertum, in dem dieser Georg Otten den Hauptfeind sah. Die Schuld an seiner Pleite zu Beginn der Weltwirtschaftskrise hat er auf die Situation Deutschlands nach dem Versailler Frieden geschoben, auf die Abhängigkeit vom amerikanischen Finanzkapital. Das Private, auch das ökonomische war für Otten das Politische.
Nach 1945 geht es dann schnell weiter im Roman.
Na ja, es geschieht noch eine familiäre Katastrophe, die ohne die Vorgeschichte der Ottens nicht zu denken ist. Sie war ein Grund, warum ich das Buch geschrieben habe. Aber der Roman setzt nicht auf argumentative Auseinandersetzung mit dem Nazivater. Man mag darin ein Ausweichen sehen, so wie ich selbst die direkte Auseinandersetzung gescheut habe, obwohl sie immer im Raum stand. Aber für mich ist der Roman der fruchtbarere Umgang damit gewesen – glaube ich.
INTERVIEW: KLAUS WOLSCHNER
19 Uhr, Krimi-Saal, Stadtbibliothek, Am Wall 201