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Archiv-Artikel

Durch die Hölle und den Himmel

AUSSTELLUNG Pep Bonet ist 2015 Fotopreisträger der Michael Horbach Stiftung in Köln. Seine drastischen Bilder können hoffnungslos wehtun. Dass der 40-Jährige nicht mehr fotografieren will, hat aber einen anderen Grund

VON DAMIAN ZIMMERMANN

Eigentlich ist es ein Affront: Genauso wie der Pulitzer-Preisträger Rob Kuznia seinen Job als Journalist an den Nagel gehängt hat, weil er davon seine Miete nicht mehr zahlen könne, und in die PR gewechselt ist, so verkündet auch der spanische Fotograf und Preisträger des mit 10.000 Euro dotierten Fotopreises der Michael Horbach Stiftung, Pep Bonet, dass er seine Karriere beendet habe. „Mit dem Fotografieren kann man kein Geld mehr verdienen. Der Magazin-Markt ist für mich tot. Doch anstatt mich zu beklagen, bin ich einfach weitergezogen. Ich mache jetzt nur noch Filme.“ Dabei schlendert der 40-Jährige nicht wehmütig, sondern lässig-abgeklärt durch seine eigene Vergangenheit: Auf fast 1.000 Quadratmetern zeigt die Stiftung in der Kölner Südstadt gerade unter dem Titel „Hell & Heaven“ eine umfassende Ausstellung mit Arbeiten aus den vergangenen 13 Jahren.

Gleich zu Beginn wird der Betrachter in den düsteren Bilderkosmos Bonets hineingezogen, der an die Ästhetik eines Sebastião Salgado, Daido Moriyama oder Jacob Aue Sobol erinnert und zugleich sehr eigenständig ist: Für seinen ersten, großen Foto-Essay „Faith in Chaos“ fotografierte er im Rahmen der World Press Photo Joop Swart Masterclass die physischen und psychischen Folgen des langjährigen Bürgerkriegs in Sierra Leone in drei sehr feinen Serien.

In der ersten geht es um das Überwinden von Traumata. Wir sehen junge Männer beim Fußballspielen, doch humpeln sie dem Ball einbeinig auf Krücken hinterher. Sie alle wurden Opfer des Krieges, wobei sie ihr Bein nicht im Kampf oder durch eine Landmine verloren haben. Sie haben ihr Bein verloren, weil der Feind es ihnen abgeschnitten hat – zur Demoralisierung der Bevölkerung. Und weil es in Sierra Leone so viele von diesen jungen Männern gibt, haben sich einige zusammengetan und eine eigene und äußerst erfolgreiche Fußball-Liga gegründet.

Gefoltert, versklavt, verstümmelt

In „Blind Faith“ begleitete Bonet Schüler einer Blindenschule – während des Bürgerkrieges wurden unzähligen Menschen (darunter vielen Kindern) von Rebellen die Augen ausgestochen. In der Schule lernen sie mit ihrer Behinderung umzugehen und werden gesellschaftlich integriert. Wenig Hoffnung macht hingegen seine Arbeit über das Kissy Mental Hospital, in dem Patienten wegen starken Drogen- oder Alkoholmissbrauchs, aber auch wegen zahlreicher anderer Kriegsschädigungen wie Vergewaltigung, Folter, Versklavung oder Verstümmelung untergebracht sind – wobei „aufbewahrt“ das passendere Wort wäre, denn ohne Diagnose, ausreichendes Personal und Infrastruktur findet quasi keine Betreuung oder Behandlung statt. Viele Patienten sind angekettet.

Alle drei Serien sind durch Bonets kraftvolle Bildsprache und seinen offensiv subjektiven Blick geprägt, für den er in die jeweilige Gruppe regelrecht eingetaucht ist, statt sie nur distanziert zu beobachten. Dabei schreckt er auch nicht vor technischen Unzulänglichkeiten wie Unschärfe, stürzenden Linien, schrägen Horizonten, Abdunklungen am Bildrand und einem bisweilen extrem hohen Hell-Dunkel-Kontrast mit wenigen Grautönen dazwischen zurück.

Bonets Bilder leben von der Unmittelbarkeit. „Objektivität gibt es für mich nicht. Ich bin nicht an Realität oder Wahrheit interessiert. Mich interessiert auch nicht, eine Geschichte zu erzählen, denn die ist offensichtlich. Mich interessiert die emotionale Seite der Fotografie und ich möchte dem Betrachter einen Vorschlag machen, wie er etwas sehen kann.“

Kann Fotografie die Welt verbessern?

Gleichzeitig will sich der ganzkörpertätowierte Spanier nicht auf einen Stil festlegen. „Jede Geschichte braucht ihre eigene Identität. Ich möchte nicht meine Sierra-Leone-Story in Honduras wiederholen.“ Für seine jüngste Serie über moderne Sklaverei begleitete er Kinderarbeiter in Bangladesch durch ihren Alltag. Diese Fotografien haben nur noch wenig von der Dunkelheit früher Arbeiten und wirken fast leicht, sehr scharf und präzise. Das liegt zum einen daran, dass sich Bonet weiterentwickelt hat – aber auch daran, dass er die Bilder nie als Wandpräsentation vorgesehen hatte, sondern immer als Teil einer Multimediashow. „Für mich ist es wichtig, dass die Personen, die Orte und die Szenen auf den Fotos und im Film den gleichen Look haben. Wenn ich die Fotos stark bearbeite, müsste ich auch den Film stark bearbeiten, aber das will ich nicht.“

Ein Thema, das er gleich in mehreren Serien behandelt, ist Aids. In Brasilien hat er die Transgender-Community begleitet, in Honduras zeigt er die Ursachen und die Folgen der Krankheit – von der Prostitution eines zwölfjährigen Jungen bis zu außergewöhnlichen, fast nostalgischen Familienporträts, die Kinder mit ihren Großeltern zeigen, weil ihre Eltern an den Folgen von Aids gestorben sind.

Ob Pep Bonet denn glaube, dass er mit seinen Fotografien die Welt verändern könne? Immerhin hat sich die von ihm mitgegründete Agentur und Stiftung NOOR zum Ziel gesetzt, mit unabhängigen visuellen Reportagen zu einem Verständnis für die Welt und somit zu einem sozialen Wandel beizutragen. Bonet wirkt traurig, resigniert: „Nein. Es sind heutzutage viel viel mehr Fotografen in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs als jemals zuvor. Wir haben also keinen Mangel an Informationen. Aber haben wir jemals davon gehört, dass ein Konflikt wegen eines Fotos beendet wurde? Ich kann Dinge nur aufzeigen, auf Umstände hinweisen und zur Diskussion stellen. Mehr nicht.“

■ Kunsträume der Michael Horbach Stiftung, Köln, bis 16. Juni, www.michael-horbach-stiftung.de