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Archiv-Artikel

„Die stärkste Waffe ist meine Stimme“

PREIS Heute erhält die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, die Karlsmedaille für europäische Medien

Dunja Mijatovic

■ ist seit 2010 Beauftragte für Medienfreiheit in der OSZE. Zuvor war sie Direktorin der Radio-, Kommunikations- und Aufsichtsbehörde in Bosnien und Herzegowina.

INTERVIEW WILFRIED URBE

taz: Frau Mijatovic, wie steht es zurzeit um die Freiheit der Medien?

Dunja Mijatovic: Wir erleben im Moment sehr harte Zeiten, wenn es um die freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Medien geht. Nicht nur in Krisen- und Kriegsgebieten, sondern auch in den klassischen Demokratien. Warum wir gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts solche Bedrohungen für den unabhängigen Journalismus erleben, dafür gibt es viele Erklärungen: Das hat mit den Rahmenbedingungen für die Medien zu tun oder mit Regierungen, die im digitalen Zeitalter den freien Austausch von Informationen fürchten. Die Nachrichten jedenfalls, die wir aus vielen Ländern erhalten, sind nicht gut.

In Deutschland zum Beispiel scheint es so, als ob die Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Medien unter sich ausmachen, was auf der Agenda stehen soll. Als 2008 die Wirtschaftskrise begann, berief Angela Merkel die Leitmedien zu sich und bat um eine verharmlosende Berichterstattung, um einen Run auf die Banken zu vermeiden …

Über dieses Treffen bin ich nicht unterrichtet, aber wir wünschen uns mehr Pluralismus und eine wirkliche Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien. Gerade die demokratischen Staaten sollten hier eine Vorbildfunktion einnehmen. Aber auch dort gibt es Beispiele dafür, dass Journalisten eingeschüchtert werden sollen. Etwa die des Guardian bei der Snowden-Affäre.

An welchen wichtigen Themen arbeiten Sie aktuell?

Da gibt es einige. Im Moment haben wir unseren Fokus auf den Onlinemissbrauch von Journalistinnen gerichtet. In Blogeinträgen und Tweets erhalten sie zum Beispiel Todes- und Vergewaltigungsdrohungen, anzügliche Kommentare, und das alles nicht wegen der Inhalte, sondern nur, weil sie Frauen sind. Seit dem letzten Jahr sind diese Vorfälle stark angestiegen und zu einer Art sozialem Phänomen geworden. Das hat sehr negative Effekte auf Online- und User-generiertem Journalismus. Gemeinsam mit einigen anderen Organisationen, wollen wir die Aufmerksamkeit auf diese Problematik lenken.

Wo passieren diese Vorfälle?

Das Erschreckende ist, sie finden überall statt: in Norwegen, Schweden, Großbritannien, der Türkei oder auch Aserbaidschan. Es gibt da keine Muster und betrifft nicht nur Länder ohne gefestigte demokratische Strukturen. Viele Journalistinnen haben ihre Twitter-Accounts geschlossen, viele haben beschlossen, sich in der nächsten Zeit erst mal ruhig zu verhalten.

Welche Instrumente haben Sie überhaupt, um Einfluss zu nehmen?

Ich habe ein Mandat von allen 57 OSZE-Staaten. Das bedeutet, ich kann eine Lizenz für Kritik erteilen. Wenn Länder sich nicht an die Vereinbarungen halten, kann und soll dies kritisiert und auch geächtet werden. Die stärkste Waffe, über die ich verfüge, ist meine Stimme. Aber wir betreiben auch viel stille Diplomatie. Ich gehe in Gefängnisse, um Journalisten und Blogger zu besuchen und um mich für deren Freilassung einzusetzen. Wir versuchen auf die Gesetzgebung einzuwirken und bei Missständen zu vermitteln. Erst wenn das alles nichts nutzt, machen wir international auf die Situation aufmerksam.