: Mehr Kaffee und Rhetorik
WANDEL Drei Ausbildungsberufe und wie sie sich verändert haben
VON TOBIAS HAUSDORF UND MARKUS LÜCKER
Früher war alles einfach? Und heute so kompliziert? Der Blick auf die Ausbildung heute und gestern zeigt: Die Jugend wächst mit ihren Herausforderungen. Meistens.
Bäcker
Wer: Aufstehen und zur Arbeit gehen, wenn andere schlafen? Der Bäckerberuf ist hart, Bewerber für eine Lehre sind rar – und werden auch ohne Schulabschluss genommen. In der Regel haben sie aber die mittlere Reife. Bei Abiturienten kann die dreijährige Ausbildung auf zwei Jahre verkürzt werden. Was: Die Ausbildung zum Bäcker wandelt sich wie das Handwerk selbst. Auf dem Lehrplan stehen neben dem klassischen Herstellen von Backwaren längst Informationstechnik, Datenschutz und die Bedienung von Maschinen wie Mehlsiloanlagen und Teigstraßen. Denn heute betreiben immer mehr Bäckereien eine zentrale Produktionsstätte mit lokalen Filialnetzen. Warum: Gute Frage. Es gibt Berufe, bei denen man ausschlafen kann. Außerdem schwinden kleine Bäckereien, große Ketten wachsen. Folge: immer weniger Azubis.
Automechaniker
Wer: Größere Handwerksbetriebe greifen vor allem Realschüler auf. Für kleinere Werkstätten genügt häufig ein Hauptschulabschluss. Den haben heute 40 Prozent der Lehrlinge. Da die Zahl der Hauptschüler in Deutschland insgesamt rückläufig ist, verschiebt sich dementsprechend die Verteilung in den Betrieben. Was: Der Blick auf einen 50 Jahre alten VW-Käfer genügt, um zu verstehen, was sich verändert hat. Viel ist nicht mehr übrig von der vergleichsweise simplen Technologie. Darum ist der erste Handgriff in einer Autowerkstatt heute meistens der zum Computer. Diagnoseprogramm starten, Fehlercodes auslesen. Der zweite Griff ist der zum digitalen Handbuch. 1965 genügte hier ein einzelnes DIN-A4-Blatt. Analysen und das immer wieder neue Erschließen der komplexen Elektronik sind die zentralen Herausforderungen des modernen Automechanikers. Auch um diesem Wandel gerecht zu werden, wurde die Ausbildung 2003 unter der Bezeichnung Kfz-Mechatroniker neu strukturiert. Warum: Industrieromantik – für die sich insbesondere technikaffine Männer begeistern können. Auf Ausbildungsportalen steht, „dass man hier nicht im Schickimicki-Anzug antanzen“ müsse und sich gerne auch jeden Tag „wie ein richtiger Kerl“ mit Motoröl besudeln dürfe. Frauen machen hingegen nur 2,4 Prozent der Kfz-Mechatroniker aus.
Bankkaufmann
Wer: Abiturienten. 70 Prozent der Auszubildenden besitzen die Fachhochschulreife. Tendenz steigend, auch auf Grund einer wachsenden Abiturientenquote. Wie bereits in den 60er-Jahren wird mindestens ein guter, mittlerer Schulabschluss gewünscht. Was: Früher wurde vor allem beraten, heute wird vor allem verkauft. Die seit 1998 gültige Ausbildungsordnung stärkt Vertrieb und Marketing. Kundengespräche haben sich zu einem fundamentalen Teil der Ausbildung entwickelt. Der standardmäßig angebotene Kaffee steht da gleichwertig neben Grundlagen der Rhetorik und Leitfäden für Verkaufspsychologie. Neu auf dem Lehrplan sind Verbraucher- und Datenschutz. Die gern geforderte „Affinität zu Zahlen“ findet zwar auch heute noch Platz in den offiziellen Richtlinien, wird der Komplexität eines digital vernetzten Bankwesens jedoch kaum mehr gerecht. Warum: Die sichere Alternative zum Studium – gern gesehen bei besorgten Eltern und Abiturienten, die schnell auf ein verlässliches Einkommen hoffen. Und auf den beruflichen Aufstieg. 1.600 Bankkaufleute absolvieren jährlich die Weiterbildung auf Bachelorniveau.