Mist an Kuhorn oder: Die Wiese lebt

Der Hof Bavendamm ist Bremens einziger Demeter-Hof. Hier sind die Kühe glücklich und schmecken auch sehr gut. Doch das ist noch lange nicht alles

„Es ist eben nicht ganz einfach zu erklären, dass jemand Scheiße in Kuhhörner stopft“

Etwa fünfzehn Männer sitzen selig in der Sonne vor dem Hof und stopfen Mist in alte Kuhhörner. Spaziergänger kommen vorbei, bleiben stehen und glotzen. Was machen die Bauern da? Sie machen biologisch-dynamische Landwirtschaft, besser bekannt unter dem Handelsnamen „Demeter“.

Die biologisch-dynamische Landwirtschaft ist die älteste Form ökologischen Landbaus in Deutschland: Sie baut auf den Ideen Rudolf Steiners auf, der sich 1924 – ein Jahr vor seinem Tod – auch noch zu Viehzucht und Ackerbau geäußert hat: „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“, heißt das Werk. Das Demeter-Warenzeichen, welches die Produkte aus biologisch-dynamischer Herstellung kennzeichnet, wurde 1928 eingeführt, 1931 waren bereits 1.000 Höfe in Deutschland biologisch-dynamisch.

In Bremen gibt es nur einen Demeter-Hof, den Hof Bavendamm im Blockland: Ein altes Gutshaus inmitten endloser mooriger Landschaft: Wiese, Kuh, Graben, Wiese, Kuh. Bauer Hans Dortmann, ein mächtiger Mann mit großer Nase und buschigen Augenbrauen bewirtschaftet den Hof. Er hat 57 Kühe, 32 Schafe und 80 Fußballfelder Moorland. „Dass man also Tiere nicht einfach in dumpfen Ställen abschließt, sondern, dass man sie über die Weide führt und überhaupt ihnen Gelegenheit gibt, auch sinnlich-wahrnehmungmäßig in Beziehung zu treten zur Umwelt“, schreibt Rudolf Steiner 1924 über die Tierhaltung. Die Bavendamm-Kühe – Murnau-Werdenfelser, eine alte Rasse – leben im Sommer auf der Weide, im Winter im Stall in großen Gruppen zusammen. Abgesägte Hörner, Hormone oder Antibiotika im Futter wie ihre Artgenossen auf konventionellen Höfen kennen sie nicht. Alle haben sie einen Namen, Nina, Martin. Und schmecken lecker, Bauer Dortmann vertreibt das Fleisch direkt an interessierte Fleischfreunde.

Doch in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft geht es nicht allein um glückliche Kühe oder schmackhaftes Fleisch. „Wir beschäftigen uns nicht so sehr mit den rein naturwissenschaftlichen Grundlagen von Landwirtschaft, sondern mit der Energie von Tieren und Pflanzen – mit den Kräften, die hinter der reinen Materie wirken“, sagt Dortmann. Das Nachdenken über die geistig-philosophischen Grundlagen der Landwirtschaft unterscheidet „Demeter“ von anderen ökologischen Landbau-Verbände wie Bioland oder Naturland. In den Anforderungen an die Haltung und Fütterung der Tiere gibt es hingegen kaum Unterschiede.

Ein „Intensives Sich-Einleben in das Naturgeschehen“, fordern die Demeter-Erzeugungsrichtlinien. Dortmann nimmt sich dafür Zeit. Einmal am Tag beobachtet er für einige Zeit einen Baum im Wandel der Jahreszeiten oder nimmt den Spaten und schaut sich das Wurzelwerk einer Pflanze an. „Ich versuche, viel zu verstehen.“

Einmal im Monat trifft sich Bauer Dortmann auch mit den Demeter-Bauern aus Niedersachsen und sie reden über Haus und Hof – und über Horn und Mist. Der sogenannte „Hornmist“ gehört zu den „Präparaten“, die in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft regelmäßig verwendet werden müssen, so schreibt Steiner es vor. Bei Hornmist geht das so: Der Bauer steckt Mist in Hörner und vergräbt sie im Oktober in Acker oder Weide. Im Frühjahr buddelt Dortmann die Hornmist wieder aus und rührt davon vier tennsiball-große Kugeln Mist in vierhundert Liter Wasser ein, er „dynamisiert“ die Masse. Die Flüssigkeit wird dann auf die Felder gesprüht. Sie soll die Erde und Pflanzen „heilen“, soll wirken wie ein homöopathisches Medikament. Andere Präparate sind Scharfgarbe in Hirschblase oder Löwenzahn in Bauchfell.

„Ob die Bauern durch die Präparate bessere Erträge erzielen, darüber lässt sich streiten“, sagt Uli Zerger von der Stiftung Ökologie und Landbau. Noch gibt es kaum wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse darüber, wie die biologisch-dynamischen Präparate wirken. Und nicht alle Biobauern haben Verständnis für den „ganzheitlichen“ Demeter-Ansatz. „Es ist eben nicht ganz einfach zu erklären, dass jemand Scheiße in Kuhhörner stopft und sich auch noch gut dabei fühlt“, sagt Dortmann und lächelt. Dorothea Siegle