Was die anderen Latinos von den Mexikanern lernen können

Eine Mini-FTAA besteht seit 1994 zwischen USA, Kanada und Mexiko. Eine Studie bilanziert: Heilsversprechen der Befürworter traten nicht ein – aber große Katastrophen auch nicht

BERLIN taz ■ Wenn die lateinamerikanischen Länder wissen wollen, was mit der FTAA auf sie zukommt, sollten sie einen Blick nach Norden werfen: Zwischen Mexiko, den USA und Kanada besteht bereits seit 1994 eine Freihandelszone, die North American Free Trade Area (Nafta). Es ist der erste Zusammenschluss zwischen Ländern der „ersten“ und Ländern der „dritten“ Welt. Pünktlich zur Geburt der FTAA hat die private „Carnegie Stiftung für internationalen Frieden“ in den USA eine Bilanz aus fast zehn Jahren Nafta gezogen.

Demnach sind die großen Verlierer die mexikanischen Kleinbauern. Ihre meist kleinen, auf Subsistenzwirtschaft gründenden Höfe hatten gegen die Importe aus den USA keine Chance. Denn erstens produzieren die US-Landwirte industriell und im großen Stil, zweitens werden Getreide, Milch und Fleisch durch staatliche Subventionen künstlich billig gehalten. Zwischen 1994 und 2002 gingen in der Landwirtschaft 1,3 Millionen Arbeitsplätze verloren. Viele ehemalige Bauern bauen heute nur noch für den Eigengebrauch an und arbeiten nebenher im informellen Sektor oder in den Niedriglohnfabriken in den steuerbegünstigten Sonderzonen an der Grenze zu den USA.

Im gleichen Zeitraum stiegen auf der anderen Seite Produktivität und Auslandsinvestitionen. So entstanden im produzierenden Gewerbe 500.000 neue Jobs. Der Zuwachs an Produktivität führte allerdings nicht zu höheren Löhnen. Dass die mexikanischen Löhne heute unter dem Niveau von 1994 liegen, sei aber noch eine Folge der Peso-Krise von 1994/1995 und nicht der Nafta, heißt es in der Studie.

Den Einwanderungsstrom aus Mexiko in die USA konnte das Handelsabkommen nicht stoppen. Im Gegenteil: Trotz verschärfter Grenzkontrollen stieg die Zahl der Arbeitsmigranten „dramatisch“. Gerade die nun arbeitslosen Kleinbauern sind mehr denn je auf Familienangehörige angewiesen, die ihnen mit Dollarüberweisungen aus den USA unter die Arme greifen.

Die im Vorfeld der Nafta oft geäußerte Furcht vor einem Aus für alle Umweltstandards hat sich laut Studie als übertrieben erwiesen. Allerdings übersteigen die Kosten der Umweltverschmutzung mit schätzungsweise 36 Milliarden Dollar jährlich den Nutzen des dank Nafta erzielten Wirtschaftswachstums. Vor allem die Industrialisierung der überlebenden Landwirtschaft verschmutze Wasser und Böden. KATHARINA KOUFEN