Zurück ins Reich der Warlords

Vom kommenden Frühjahr an sollen Flüchtlinge aus Afghanistan und Irak abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig gehen. Otto Schily: „Flüchtlingsschutz ist vorübergehender Schutz“

BERLIN taz ■ Flüchtlinge aus Afghanistan und aus dem Irak sollen so bald wie möglich in ihre Heimatländer zurückkehren. Das haben die Innenminister der Länder gestern auf ihrer Herbsttagung in Jena beschlossen. Sie appellierten an die Flüchtlinge, freiwillig zurückzugehen. Anderenfalls werde man sie abschieben. Über den konkreten Zeitpunkt der Abschiebungen soll beim nächsten Treffen im Frühjahr 2004 entschieden werden.

Die Aufnahme von Menschen aus Kriegsgebieten sei lediglich ein „vorübergehender Schutz“ bis zur Überwindung der Krisensituation, begründete Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Entscheidung. „Wenn Deutsche in Kabul die Polizei ausbilden, dann ist es nicht unschlüssig, wenn auch die afghanischen Landsleute in ihre Heimat zurückkehren.“ Schily bestätigte zwar, dass die Lage in Afghanistan gefahrvoll und instabil sei. Aber: Auch Großbritannien habe bereits „eine beträchtliche Zahl“ von Kriegsflüchtlingen zurückgeführt. Mit ihrer Entscheidung schloss sich die Innenministerkonferenz weitgehend dem Hamburger Innensenator Dirk Nockemann (Schill-Partei) an. Der hatte angekündigt, allein stehende Afghanen notfalls auch ohne gemeinsamen Beschluss zurückzuführen.

Die Entscheidung der Innenminister stößt auf einhellige Kritik von Flüchtlingsorganisationen. „Wir sind auf keinen Fall einverstanden“, sagte der Sprecher von amnesty international der taz. Es sei „absurd“, wochenlang zu diskutieren, ob Afghanistan für die Bundeswehr sicher genug sei, gleichzeitig aber Flüchtlinge abschieben zu wollen. Selbst das Auswärtige Amt warne immer noch eindringlich vor Reisen nach Afghanistan. „Die staatlichen Organe sollten sich erst einmal auf eine gemeinsame Einschätzung einigen“, so Bartelt.

Auch Marieluise Beck (Grüne), Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, kritisiert die Entscheidung: Es sei „bedauerlich, dass sich die Innenminister statt einer Bleiberechtsregelung eine Rückführungsdebatte leisten, die angesichts der Sicherheitslage wenig realitätsgerecht ist“, sagte Beck. Wichtiger sei es, eine dauerhafte Regelung für die rund 70.000 afghanischen Flüchtlinge in Deutschland zu finden. Die meisten von ihnen lebten länger als sechs Jahre hier und seien bestens integriert.

Abschiebungen nach Afghanistan und in den Irak seien gegenwärtig „unverantwortlich“, räumte Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens als Vertreter der SPD-regierten Länder ein. Dennoch müssten Flüchtlinge „prinzipiell“ zurückkehren, wenn sich die Lage „bereinigt“ habe. SUSANNE AMANN

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