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Archiv-Artikel

Stark geschöntes Gesamtbild

REPLIK Ferdinand Krogmann über Franz Radziwill und die „weitgehende Ausblendung systemkonformer Kunst“ in der Bremer Ausstellung

Die Debatte geht weiter

Vor einer Woche veröffentlichte die taz zwei Gastbeiträge, die sich kontrovers mit der Ausstellung „‘entartet‘ – beschlagnahmt. Bremer Künstler im Nationalsozialismus“ in der Städtischen Galerie Bremen auseinandersetzen. Der Historiker Ferdinand Krogmann wirft der Ausstellung „eine „Ehrenrettung“ NS-affiner Künstler unter dem Label „entartet“ vor, weil die Ausgestellten zwar Beschlagnahmungen erdulden mussten, in vielen Fällen aber selbst Parteimitglieder waren und durchaus auch Erfolge im NS-System verbuchen konnten. Demgegenüber betonte die Kuratorin Birgit Neumann-Dietzsch in ihrer Entgegnung den abwägenden Charakter der Ausstellung: „Wir können nicht säuberlich in Gute und Böse einteilen.“ Gerade in der „überraschenden Darstellung von Widersprüchen, Unschärfen zwischen Anpassung und Widerstand“ bestehe die Schärfe des Ausstellungskonzepts. Heute schreibt Konstanze Radziwill über ihren Vater Franz – begleitet von einer kritischen Replik Krogmanns.

Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, einen Gegenstand umfassend zu untersuchen und darzustellen. Wäre die Städtische Galerie diesem Grundsatz konsequent gefolgt, hätte sich eine Kritik an der Ausstellung „‘entartet‘ – beschlagnahmt“ wahrscheinlich erübrigt und die Kuratorin Birgit Neumann-Dietzsch hätte nicht Argumente vorbringen müssen, die den Kern der Ausstellungskritik nicht berühren.

So geht es mir zum Beispiel nicht darum, aus reinem Selbstzweck „mehr und größere Werke der NS-Kunst“ zu zeigen. Dies erfordert vielmehr die Sache, denn nur so kann das stark geschönte Gesamtbild dieser Kunstschau korrigiert werden. Dabei sollten in der Tat möglichst viele der seit 1933 entstandenen Kunstwerke so präsentiert werden, dass sie vom Publikum auch wahrgenommen werden. Dies ist zurzeit kaum möglich, da von den Arbeiten, die den Geschmack der NS-Zeit trafen oder treffen sollten, nicht ein Original zu sehen ist. Das Wenige, was aus dieser Zeit am Buntentorsteinweg zu erspähen ist, existiert nur als Fußnote. Und die werden bekanntlich leicht übersehen und vergessen.

Noch drastischer offenbart der Ausstellungskatalog die Einseitigkeit des Unternehmens, da er – mit Ausnahme eines einzigen Gedichts – die gesamte systemkonforme Kunst ausblendet. Den Grund nennt Neumann-Dietzsch selbst; war ihr bei den beschlagnahmten Werken offenbar jedes Bild wichtig, so hat sie bei der NS-Kunst nicht auf Masse gesetzt, sondern auf „klare Prägnanz“. Die aber schlummert noch im Verborgenen. Die Folge: Der Untertitel der Ausstellung „Bremer Künstler im Nationalsozialismus“ hält weitgehend nicht das, was er verspricht.

Zu dem von Neumann-Dietzsch mehrfach angesprochenen janusköpfigen, also doppelgesichtigen Charakter der Ausstellung ist zu sagen: Es gibt ihn nicht. Würde er hergestellt, wäre das Projekt „‘entartet‘ – beschlagnahmt“ vorzeitig zu Ende.

Auch Radziwill wird in der Ausstellung sehr einseitig gewürdigt. Der Kunstwissenschaftler Olaf Peters betont: „Radziwill hat sich zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich von der (...) Bewegung des Nationalsozialismus öffentlich distanziert. Darüber hinaus scheint es so, als sei er zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, die Zeit des Dritten Reiches künstlerisch, intellektuell oder moralisch zu verarbeiten. Es handelt sich bei Radziwill also nicht um einen ,anderen Widerstand‘, sondern um das eklatante Unvermögen, Schuld zu erkennen und anzuerkennen.“

Weder im Original noch als Abbild zeigt die Ausstellung Radziwills Kriegsbilder: „Auf Schillig Reede“, „Die Tankschlacht von Cambrai “, „Auslaufendes U-Boot“ oder „Die Beschießung von Almeria“. Diese verharmlosen den Krieg, weil er nicht als Hölle gemalt wird, weil in der Regel auf die Darstellung von toten deutschen Soldaten verzichtet und eben keine abschreckende Wirkung erzeugt wird.

Im März und April 1935 unternimmt Radziwill auf dem Panzerschiff „Deutschland“ eine Reise nach Südamerika und notiert im Tagebuch: „Niemals habe ich die Gemeinschaft und die technische Größe meines Vaterlandes so schön erlebt wie hier auf deutschen Schiffen im Ocean unter dem großen, gewaltigen Raum von Wasser und Himmel im großen All.“ 1937 greift die „Admiral Scheer“ die spanische Stadt Almeria an, ein Jahr später fährt Radziwill auf dem Panzerkreuzer „Graf Spee“ an den Ort des Verbrechens, um die Ansicht Almerias von See aus zu studieren. Im Auftrag der Kriegsmarine stellt er dann den Angriff auf die Stadt dar.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt der Künstler, viele seiner Bilder zu übermalen. Dadurch sollen sie zauberhaft, ja geheimnisvoll geworden sein. Sie wirken aber wohl eher krampfhaft bemüht, um ursprünglichen Botschaften einen anderen Sinn zu verleihen.